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26 Ersteigung dc« Großglockners.
eine behagliche Stimmung, zu welcher nach der Anschauungsweise jedes
Einzelnen der Gedanke an die für morgen zu hoffenden Genüsse, die
wohlthätige Wärme, der fette Schmarren, der in der Pfanne der
Sennin prasselte, oder endlich der rothe Tiroler Wein am meisten
beitrug. Nachdem ich für morgen den möglichst frühen Aufbruch be-
schlossen hatte, zog ich mich bald in den mir vorbehaltenen Theil des
Heubodens zurück. Hier war Heu im Ueberflusse vorhanden, auch war
der Naum von der übrigen Hütte durch eine Bretterwand getrennt,
und so hielt mich bald ein viel eranickenderer Schlaf umfangen, als er
gewöhnlich einem Städter auf den Alpen beschieden ist. Meinen An-
ordnungen zufolge begann es jedoch fchon um I Uhr Nachts in der
Alpe wieder lebhaft zu werden.
Schnell war eine Kaffeebrühe in solcher Menge gekocht, daß
die große Holzschüssel, in die sie gegossen wurde, als jeder so viel zu
sich genommen hatte als ihm behagte, und Manchem behagte wahrlich
nicht wenig, noch bei Weitem nicht geleert war, sondern eine hübsche
Nachlese für die Sennin und ihren Hüter enthielt.
Um 1 Uhr 20 Minuten brachen wir von der Alpe auf. Die
Nacht konnte nicht schön genannt werden. Ringsum zogen Nebel,
nicht luftige Nachtnebcl, sondern solche, denen mau es ansah, daß sie
ehestens auf den Bergen aufsitzen würden. Der Vollmond schien, doch
mit oftmals umflortem Lichte. Aber selbst der zauberischeste Monden-
schein könnte diese Landschaft nicht zur interessanten gestalten.
Zwar leitet der Weg sogleich von der Alpe weg am linken
Bachufcr steil hinan und mau hat schon bei der bald erreichten Ochsen-
Hütte einige Aussicht auf die in der Richtung von Kals liegenden
Berge. Auch erweitert sich die Schlucht dort, wo in südwestlicher Rich-
tung ein Fußweg nach Kals ablenkt. Doch diese Höhen und der Thal-
boden ringsum sind eben so öde, wie die von uns bisher durch-
schiiitcne Schlucht der Leiter.
Schaubach gibt in seinem höchst schätzenswerthen Werke „die
deutschen Alpen" die Hohe der Ochsenhütte mit 6809 Fuß an und
versteht darunter wahrscheinlich Wiener Fuß, in denen er in der Regel
seine Höhenangaben macht. Auch meint er, die Ochsenhütte werde das
gewöhnliche Nachtquartier der Glocknerersteiger sein müssen.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918