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74 Ersteigung des großen Wiesbachhornö.
schmalen Zwischenlagen von Schutt und Gerölle bestehend, nicht so
furchtbar erschienen ist, als er von unten gesehen zu sein scheint, be-
sonders da die Steigeisen beständig in das brüchige Gestein eiugriffen
und wir so einen ziemlich sichern Tritt hatten, und wenn mir auch
einzelne Stellen auf den Wänden im Kalkgebirge auf frühern Berg-
reisen noch gefährlicher vorkamen, weil sie dem Fuße oft kaum den
geringsten Halt gewähren, so habe ich doch bisher nirgends im Hoch-
gebirge eine so lange andauernde fortan gefährliche Wegstrecke, die
überschritten werden muß, angetroffen. Die Gefahren an sich aber sind
auch jedenfalls groß. Ein Schwindel, ein Fehltritt würde, nachdem
die einzelnen Wände nur mit geringer Neigung sich über einander
erheben, eiueu Sturz in die größte Tiefe nach sich ziehen. Auf Stellen,
welche wegen der Schroffheit der Wand und des Abganges von Rissen
in ihr selbst für den Schwindelfreien gefährlich genannt werden müßten,
kamen wir jedoch nnr ein paar Mal und auch sie wurden unschwer
zurückgelegt. Dafür hatten wir fortan eine andere Sorge. Fast jedes-
mal, wenn wir eine Wand überwunden hatten, mußte wieder sorgsam
die Stelle gewählt werden, auf welcher wir die nächste höhere Lage
zu überschreiten hätten, und da der steilen Erhebung halber ein Ileber-
blick einer größern Strecke des weiter oben folgenden Weges nicht
möglich war, so besorgten wir fortwährend zuletzt doch an einen Ort
zu gelangen, von dem ein weiteres Aufwärtssteigen gar nicht mehr thun-
lich sein würde.
Aber Nödereis Verginstinkt siegte glücklich über alle Hindernisse,
und schien ein oder das andere Mal ein Ausweg ans den Kliüven
nicht mehr zu finden, so spähte unser Pilot vorsichtig umher, und bald
hatten wir wieder die rechte Nichtung genommen.
Wir waren wiederholt so weit hinaus nach Rechts geschritten,
um den Anblick des Abbruches der Teufelsmühle zu gewinnen. Aus ihm
ersah unser Führer dann stets die von uns schon erreichte Höhe und
die Richtung, die einzuschlagen war, um auf das Schneefeld zu gelangen,
das sich von der Hohe jener Einsattlung zwischen dem Wiesbachhorn
und dem Vratschenkopfe bis zur Teufelsmühle herabzieht. Denn dies,
und zwar in einiger Höhe über dem Abbrüche der Teufelsmühle und
etwas links von ihm zu betreten, war unsere nächste Aufgabe.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918