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Ersteigung des großen Wiesbachhorns. 75
An solchen Punkten konnte ich trotz der Gefahren nicht unterlassen,
die prachtvolle zehn und mehr Klafter hohe Wand blauen Eises zu
bewundern, mit welcher die wilden Eisgestalten des wundervollen Glet-
schers über der Klamm des ihm mtsturzenden Eisbaches enden. Auch
war mir die Art des Felsengesteins, auf dem wir vordrangen, und das
stets unter unsern Steigeisen knisterte und die Bestandtheile seines hie
und da vorkommenden Schuttes von hohem Interesse, und ich war
nicht wenig erfreut, als ich darunter zwei schöne Strahlsteine fand,
welche ich als Andenken an die Wiesbachhorn-Ersteigung zu mir nahm.
Endlich nach anderthalb Stunden angestrengten und gefährlichen
Steigens langten wir glücklich am Schneefelde an.
Wir hatten bis Hieher denselben Weg eingehalten, welchen die
Expedition des Jahres 1841 gemacht hatte. Hier wichen wir auf
Nd'derers Nath zuerst von ihm ab.
Unsere Borgänger haben nämlich hier die Bratschenwände noch
nicht verlassen, sondern sind noch etwa 500 bis 600 Fuß weiter auf
ihnen aufwärts gestiegen. Wir dagegen begannen schon von hier nach
Rechts zu über den Schnee und den Gletscher hinanzuziehen.
Durch diese Abweichung ersparten wir allerdings eine Strecke
des gefährlichen Kletterns über die Felsen. Doch war der von uns
eingeschlagene Weg eben nur heute räthlich und wird es nur unter
ähnlichen Verhältnissen sein, denn der frische Schnee machte, daß wir
bei jedem Tritte zwei bis drei Zoll tief einsanken. Bei minder tiefem
und harten Schnee wäre dagegen die Ueberschreitung dieses Schnee-
feldes höchst gefährlich. Es fallt nämlich gegen jene Schlucht ab, in
welcher die Teufelsmühle abbricht, und seine Neigung ist so stark, daß
ich nicht übertreibe, wenn ich sie mit 50 Graden annehme; jeder Berg-
kundige weiß aber, daß das Ueberschreiten eines eisigen Schnecfeldes
von solcher Neigung einer bedenkliche Sache bleibt. Wir hatten uns vor-
sichtsweise mit dem Seile aneinander gebunden und schritten einer nach dem
andern, voran Röderer, dann ich, dann der Bademeister, hierauf Graf
Andrasfy und endlich Er l inger langsam, indem wir bei jedem Tritte
so tief als möglich in den Schnee traten, über die steile Flache hinweg.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918