Seite - 77 - in Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
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Ersteigung des großen Wiestüchhoins. ?s
sich dann steil eine eisige Schneide bis zur höchsten Spitze des Wieö-
bachhorns hinanzog.
Der jähe Abfall ihrer Wände und Eismassen im Osten reichte
von der Spitze herab bis tief unter unsern Standpunkt und bildete
die rechte Wand des Gletscherthales, in dem wir aufwärts schritten.
Dasselbe ist jedenfalls die Firnmulde der Teufclsmühle und wahr-
scheinlich auch des Pokeneikeeses, doch konnte ich wegen des Wirrwarrs
in den Eisabstürzen im obern Theile des Teufelsmühlkeeses nicht er-
sehen, ob sich wirklich hinter ihnen ein Arm von hier zum Pokenei
hinabsenkt oder ob dies vielleicht etwas tiefer erst in einem Kecsboden
gerade unter der höchsten Spitze seinen Ursprung hat.
Originell nimmt sich die Spitze von hier gesehen aus, denn sie
hat vollends die Gestalt eines silbernen Kammes auf einem Helme,
so ragt der oberste Theil wieder nach Rechts gedehnt über die gebogene
Schneide hinaus.
Auf deni Felsdurchbruch machten wir noch einmal Halt, daim
begannen wir die Schneide hinanzusteigen. Wegen des steilen Ab-
falls des Wiesbachhorns im Osten und weil der Berg im obersten
Theile nur eine ganz geringe Breite hat, betritt man bald den Ab-
hang auf der Kapruner Seite, und hier öffnet sich sogleich eine unbe-
grenzte Fernsicht nach Westen und Nordwesten. Nur die Glockerin,
der hohe Tenn und die höchste Spitze des Wiesbachhorns verhindern
noch zum Theile die Rundschau.
Wir stiegen wacker aufwärts, doch waren wir, ungeachtet sich
bei Keinem die eigentliche Bergkrankheit einstellte, genöthigt, nach kurzem
Aufwärtsstcigen immer wieder etwas stehen zu bleiben. Bei der steilen
Neigung der Schneefläche gegen Kaprun, auf der wir uns befanden,
mußte auch vorsichtig gegangen werden, und so benöthigtcn wir über
die Schneide hinan noch fünf Viertelstunden. Als wir endlich auf der
höchsten Spitze anlangten, war es schon halb 19 Uhr, und wir hatten
somit 7V2 Stunden von der Iudenalpe aus zugebracht.
Doch wer hätte jetzt darüber geklagt, daß wir etwas länger zur
Ersteigung gebraucht, als wir gedacht hatten. Genug, daß sie glücklich
vollbracht war. Wir befanden uns in der frohesten Stimmung, wozu
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918