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124 Von Kaprun nach der IohaimislMe auf bcr Past«rze.
der Alpe mit emem Herrn aus Wien erkannte letzterer damals in
ihm jenen Aelftler aus Kaftrun, der einige Jahre früher seine Mutter,
Schwester nnd ihn auf die Kaprnner Thore geführt hatte.
Heute mnßte denn die damals zur Sprache gekommene Galanterie
unseres Melkers vielfach als Stoff herhalten, niit welcher er, als ihm
sein Führcrlohn ausbezahlt wurde, sich noch etwas ausbat — einen
Kuß von der schönen Schwester meines Begleiters. Auch kam ein Mann
aus der Ietzbachhütte noch spät Abends uom Niedersiller Kirchwcihfest
zurück und wußte allerlei davon zn erzählen. Das Fest ist eines der
besuchtesten in Pinzgau, und es wurde früher und wird noch jetzt auf
demselben am meisten gerankelt, d. h. gerungen. Unser neuester Freund,
beiläufig gesagt 6 Schuh, eher mehr nls weniger, lang, hochblond,
ctwa 18- bis 20jährig nnd nur durch eine bedeutende Halsnnregcl-
uiäßigkcit entstellt, brauchte es, um Glanben zu finden, nicht oft zu
wiederholen, daß er in alleu Kämpfen Sieger geblieben war. Endlich
ging uns der Faden des Gespräches ans, ich hatte ein Gemisch von
linverhältnißniäßig viel gesottener Milch und wenig mitgenommener
Chocolade längst genossen und begab mich nun ans den nur wenig
Schritte entfernten Heuboden.
Doch auch diese Nacht im Wasserfall folltc nicht die angenehmste
sein, denn in unserer Schlucht unterhalb der Gletscher uud zwischen
ihren Bächen war nur bei den vielen absichtlichen und unabsichtlichen
Ocffiumgeu dcö Daches empfindlich kalt, wie tief ich mich auch im
Heu eiuzugrabcn suchte. Eine Zeit lang hörte ich ncbstdcm zu meinem
großen Verdruße das Nauschen des Negenö auf dem Dache. Zuletzt,
als ich mich gegen Morgen einmal nach den: Wetter umsehen wollte
und mich aufrichtete, stieß ich mir noch, lveil ich im Schlafe gegen
die aus unbehauenen Steinen gebildete Wand gerückt war, die Stirne
so heftig an einen vorstehenden Mauerstein, daß ich durch einige Zeit
ein Zeichen der incorrecten Bauart der Kapruner Alpen mit mir
heruültrug.
Endlich lam der Morgen, aber nicht der gehoffte schöne, sondern
eitt unfreundlicher voll Nebel.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918