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sein Genuß selbst durch die bedenkliche Lage, in der wir waren und
die uns bald klar werden sollte, nicht verdorben werden konnte.
Wir standen etwa 6 — 809 Fuß über dem obern Pasterzen-
Gletscher an jenem Punkte, wo der große Bnrgstall zuhdchst mit zwei
Spitzen über die Eismasseu hinausragt. Hatten wir, wie vorher er-
innert wurde, östlich längs des Burgstalls am Eise hinabsteigen wollen,
so zeigte sich dies jetzt als unthunlich. Klaftertiefe Nisse trennten das
Eis vom Felsen und die Eisflächen selbst waren auch in einiger Ent-
fernung vom Burgstall uugemein zerrissen.
Ich sandte znerst Nöderer ab, um zu untersuche», ob nicht über
die Wände des Burgstalls hinabzukommen sei. Doch brachte er die
Nachricht zurück, das sei positiv unmöglich, denn der Burgstall habe
in der Klamm zwischen den zwei Spitzen bloß senkrechte Wände, so
daß man schon beim Hinabblickcn Schwindel fühle.
Wir lösten uns denn vom Seile los, der Kapruner wurde auf
unserm Standpunkte am Burgstall zurückgelassen, damit wir nöthigen-
falls wenigstens die Stelle, von welcher wir den Nückzng anzutreten
hätten, genau zu finden wüßten, und nun drangen Nödcrer und ich
nach Links uud etwas aufwärts zwischen den zerklüfteten und über-
einander geworfenen Eismasscn nicht ohne Gefahr vor, um zu fpähen,
ob sich kciu Pnntt finden lasse, wo ein Hinabsteigen möglich wäre.
Aber Alles war vergebens uud mit jeder Klafter nach unten zu wurde
die Zerrissenheit grußer. Nur einmal sahen wir einige Klafter tiefer
eine weniger geneigte Schneefläche und meinten, wenn wir erst auf
ihr wären, ließe sich wahrscheinlich bis auf den oberen Keesboden hinab-
gelangen. Zwischen uns und jener Stelle jedoch lag zunächst ein breiter
Eisschrund von unabsehbarer Tiefe, und das Resultat unserer genauen
Besichtiguug des Terrains War, daß den Sprung von dem glatten
nnd abschüssigen diesseitigen auf den ebenso geformten jenseitigen Rand
zu wagen eine wahre Tollkühnheit genannt werden müßte.
Wir kehrten also zn unserem Begleiter zurück. Meine kurze
Frage an Röderer war, waS jetzt zu thun sei? Rüderer antwortete,
daß wir erst eine Stunde weit zurück aufwärts zu dem hohen Burg»
stall und dann über ihn auf die höhere Fläche des Gletschers steigen
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918