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172 Aus dem Tcniernhause Feileiten auf den
der Weg bedenklich. Die Felsen bestehen aus jenem Kalkglimmerschiefer,
der im Pinzgau mit dem Ausdrucke Bratschen bezeichnet wird und
mir von der Ersteigung des Wiesbachhorns her gut bekannt war,
indem die am gefährlichsten zu übersteigenden Klippen auch dieses Berges
derselben Gesteinsart angehören.
Er bildet ans der schwarzen Leiten nicht mächtige Wände, viel-
mehr zahllose kleinere von mehreren Fuß Höhe. Da sich jedoch un-
mittelbar Wand über Wand in steiler Steigung mit einer Gesanunt-
erhebung von mehreren hundert, ja von tausend uud mehr Fuß auf-
baut, so würde ein Abstürzen hier nicht minder tödtlich sein als über
die höchste Kalkgebirgswand.
Jetzt fehlte uns aber jeder sichere Tritt und wir standen in
Mitte der Wände, ohne zu wissen, ob und wann es besser werde.
Noderer suchte sich eiuen lleberblick zu verschaffen und hatte sein Augen-
merk vorzüglich auf die schräge Richtung uach außen gegeu das Fnscher-
thal geworfen. Da jedoch der Orat im Laufe von Süden nach Norden
start geneigt ist, so hätte ich es vorgezogen, auf der sich über uns hoch
ausbauenden Oesammtwand gerade aufzusteigen, um den Grat in grö-
ßerer Höhe zu erreichen und nicht durch die schräge Richtung gegen
feinen tieferen nördlichen Theil genöthigt z» sein, später auf ihm oder
auf seinem jenseitigen Abhänge erst wieder emporklettern zn müssen.
Auch schien nur in meiner Richtung nicht mehr und nicht weniger
Gefahr zn drohen, als in der bisher eingehaltenen und von Nöderer
fortan einzuhalten beabsichtigten. Allein mein Alter wollte von seiner
Linie nicht abweichen. Bald folgten neue, höchst gefährliche Stellen,
und ich kam eben auf meinen Vorschlag zurück, mehr gerade aufzusteigen,
da zeigte mir Noderer auf dem aus Erde und Schutt gemischten Boden
die Spur eines Schafes, die ich, selbst wenn ich darauf geblickt hätte,
nicht bemerkt haben würde, die er jedoch mit dem Verständnisse einer
Nothhaut sogleich erkannt hatte, und fügte mit seinem unbesiegbaren
Phlegma die Worte bei: „Da ist ein Schaffe! gangen und wo ein
Schaffet geht, können wir auch gehen." Ohne gerade den Satz für
unanfechtbar zu halten, folgte ich. Noch kamen einige unangenehme
Stellen, doch schließlich war ein kleiner Einschnitt in dem nahen Kamme
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918