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das Gutthal nach Hcili
besteigen und es nicht mit dem Großglockner selbst aufnehmen kann
oder will, geht jetzt sicher auf den Breunkogel. Insbesondere im Jahre
1859 soll er zehnmal von Fremden besucht worden sein. Auch minera-
logisch verdient der Berg Beachtung. Er besteht aus Chloritschiefev,
in welchem sich schöner Serpentin vorfindet, und fällt auch wirklich aus
feiner Umgebung durch seine grünliche Farbe auf. Vorzüglich auf dem
Tauernwcge verräth er seine Nähe durch weite Halden grünlichen Ge-
rolles, welche sich von ihm gegen das Mitterthörl herabziehen.
Der Aufenthalt auf der Spitze verfloß mir sehr schnell. Ich
mochte schon eine Stunde oben verweilt haben nnd war mit der Unter-
suchung der Aussicht fast zn Ende gelangt, als ich plötzlich Nödercr
mit Jemanden sprechen hörte und bald darauf einen Knaben auf der
Spitze anlangen sah. Das Zusammentreffen war nnf beiden Seiten
ein unerwartetes. Wegen der Steilheit der letzten Erhebung zur Spitze
und der argen Verschiebung der Steintrümmer, über welche man von
Süden, und daher kam nnser Junge, heraufkömmt, hatte auch Nöderer
von seinem Sitze auf der Schneide denselben nicht früher bemerkt, als
bis er über die letzte Steinplatte heranfkletterte.
Mir siel im ersten Augenblicke nur das wahrhaft primitive
Kostüme des Knaben auf, das in einem Hemde und in sonst gar Nichts
bestand. Weniger rnhig nahm nnser Junge die unerwartete Begegnung
anf. Ich habe nicht leicht eine größere Ueberraschung in einem Gesichte
ausgedrückt gesehen, als in jenem unseres improuisirten Gesellschafters
auf dem Brennkogel, jedoch auch nicht bald hat mich ein Banernknabe
in so kurzer Zeit für sich eingenommen als eben er. Auf meine Fragen
um den Zweck seiner Besteigung des Vrennkogels antwortete er, er sei
ein Sohn des Glocknerführers Kramser in Heiligcnblut, dieser sei gestern
mit Fremden auf dem Breuukogel gewesen, habe bei dieser Gelegen-
heit ein Perspcctiv oben vergessen und ihm den Auftrag gegeben, es
-u holen.
Wirklich hatte Rödcrer das Fernglas (eines jener Perspcctiv?,
welche im unteren Theile mit rothem Papiere überzogen, worauf nebst
verschiedenen Ornamenten der Name des Verfcrtigers Leonardo Semi-
tecoli oder ein ähnlich klingender mit Silberlettern gedruckt ist,, jedoch
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918