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208 Ersteigung des Iohannisberges auf der Pasteize.
Je höher wir kamen, desto tiefer wurde der Neuschnee und desto
mühsamer die Wanderung. Wir befanden uns in einem Thale. Denn
zur rechten Hand stieg jener Kamm des Iohannisberges, welcher von
dem Höhenpunkte der zweiten Terrasse auf seiner Südseite sich süd-
östlich auf die Pasterze herabzieht und über den die Erpedition im
Jahre 1844 ihren Weg genommen hat, in einer gegen seine Wurzel
zu begreiflicherweise immer größeren Hohe auf, links erhob sich noch
fortwährend der Olocknerkamm über uns. Wir wateten fort und fort
im Neuschnee und hielten uns, weil mehr nach Rechts das Schneethal
seine größte Tiefe und sicher auch den meisten Schnee hatte, um nicht
noch tiefer waten zu müssen, möglichst nahe an den Abhängen der
linken Seite und des Schneewinkeltopfes, welcher in der Höhe manche
kecke Fclsenpartie tragt.
Die Landschaft war die denkbar winterlichste. Wir sahen jetzt
schon die Oedeuwinkelscharte mit dem Felsen, der nach Plattls Angabe
hart an ihrem Abfalle gegen den Oedenwinkel liegen sollte, hielten sie,
wie fast jedesmal auf Schueefeldern, auf welchen kein Zwischenpunkt
dem Auge zum Maßstabe der Entfernung dient nnd die reinere Luft
unser gewöhnliches Augenmaß irre führt, für näher als sie in Wirt-
lichkeit war, langten jedoch endlich um halb neuu Uhr an ihr an.
Der höchste Punkt der Scharte befindet sich anf dem Keese, das
sich uon ihm noch einige Klafter weit gegen den Ocdenwinkel allmälig
senkt, bis es theils in südwestlicher Nichtung mit einer Schueeschlucht
steil abfallt, theils höher oben an dem schon erwähnten Felsen endigt,
von dem der scharfe Absturz auf den Ocdenwiutel thatsächlich beginnt.
Ich pflanzte auf der höchsten Stelle mein Barometer auf und
folgte Plattl mit nicht geringem Interesse zu dem Felsen, von welchem
man nach seiner Behauptung in das Stubachthal sehen sollte. Ich hatte
nämlich in meiner, in den Jahrbüchern der k. k. geographischen Ge-
sellschaft in Wien, Jahrgang 1857, abgedruckten Abhandlung „Wan-
derungen auf dem Glockuergebiete", blos auf die Autorität einer alten
Karte und der Aussicht vom Schafbühel in Stubach hin die Ansicht
ausgesprochen, Schlagmtweits Todtenlöcherpaß müsse die Oedenwinkel-
scharte sein, und war jetzt begierig zu erfahren, ob ich mich nicht doch
geirrt habe.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918