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Da« Maltathal in Kärnthen,
Hier ragen steile Felswände von grotesken Formen auf und
lagern mächtige Felsblöcke rings auf dem Wege und im Bette der
Malta, sie zu wildem Brausen zwingend. So wie aber die größeren
Felsenparthien überall durch einzeln oder gruppenweise darauf horstende
Fichten belebt weiden, so hat sich eine jüngere Generation des Waldes
selbst auf den zerstreuten Fclsblöcken angesiedelt und umklammert mit
ihren Wurzeln den kalten Stein, oder hält wenigstens Veilchenmoos
die Trümmer umsponnen. Hier lachen noch grüne Matten und erheben
sich ans ihnen und dort, wo sich der Thalbodeu in etwas erweitert,
auf der Thalsohle selbst freundliche Sennhütten.
Hi« sind hoch über den tosenden Wildbach gedeckte Brücken
malerisch gespannt und stürmen in kühnem Sprunge oder rauschen in
breitem Silbermantel mächtige Bergbäche über die Felsen der Malta
zu, die sich selbst wieder im ernsten Tcmnenwlllde donnernd über eine
höhere Felsstufc hinabwirft.
Wir bewundern die Großartigkeit der Landschaft um uns, da
steigt plötzlich über dem herrlichen Vordergründe eine Hochspitze in
kühner Form empor und schimmert uns zuletzt noch aus der Wolken-
nähe das Gletschereis entgegen, dann müssen wir bekennen, daß das
Maltathal überreich ist an den^Reizen aller Art, durch welche die Hoch-
gebirgswelt ihre Besucher zu begeistern »ersteht.
Als ich das Maltathal noch nicht kannte, hatte mir ein Kärnthner
auf meine Frage, ob es wirklich so großartig sei, dies mit den Worten
bejaht, „denken Sie sich nur, wo in andern Thälern ein kleiner Stein
liegt, liegt im Maltathal ein Felsstück." So trefflich mit diesem Satze
die Charakteristik des leblosen Theiles der Natur unseres Thales aus-
gedrückt ist, so wenig kennzeichnet er das Thal in demjenigen, was es
eigentlich vor allen andern Thalern so anziehend macht, in dem frischen
Naturleben, welches allerorts im Maltagraben bis hinan zur Negion
der Hochweiden pulsirt und auch auf den Reisenden belebend und an-
regend wirkt.
Der mächtigste Faktor desselben ist das Wasser, und es genügt
die Thatsache zu erwähnen, daß von den Reisenden im Maltathale
außer zahlreichen kleinen gegen zwanzig große Wasserfalle gezählt werden.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918