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Ein StreifzuF dies» und enseits bei Taueni. 341
Als wir uns dann im Hause selbst herumtrieben, sahen wir
Gestalt um Gestalt m mitunter nicht sehr gewählter Morgenkleidung
auftauchen. Mutter Kerschdorfer kochte als fleißige Hausfrau den Kaffee,
hierauf kam ein Verwandter des Hauses zum Vorschein, welchen uns
Gerl als Führer angeworben hatte, und endlich Kerfchdorfer selbst.
Nur Gerl's jüngere Schwester, die jetzige gefeierte Schönheit der
Krümnl, bekamen wir nicht zu Gesicht. Alle waren noch voll von den
Eindrücken des gestrigen Gewitters. Selbst im Krünmler Thalfessel,
der so recht eigentlich als Muster akustischer Tüchtigkeit für Gewitter-
Produktionen gebaut zu sein scheint, konnte man sich seit Langem keines
so heftigen Donnerwetters erinnern. Zweimal war der Blitz in der
Nahe in die Thaltiefe und zwar zuerst auf einen Vaum, dann auf
den freien Platz unmittell'ar vor Kerschdorfers Hause herabgefahren.
Hier hatte er einen an der Kegelstälte stehenden Baueru betäubt. Alles
beschäftigte sich mit dem scheinbar Leblosen voll Angst, ob er wieder
zu sich kommen werde. Da erwachte er und begehrte zuerst — ein
Glas Branntwein. Mir siel bei der Erzählung sogleich jene Scene
aus einer Localposse ein, in welcher Nestroy als alter Bettler für
todt hinsinkt, sich aber bald wieder bewegt und von seiner noch tief
gerührten Umgebung gleichfalls ein Glas Schnaps verlangt. Die
Karikatur fällt in der That öfter mit der Wahrheit zusammen, als
viele Optimisten und Acsthetiker zugestehen wollen!
Als man.uns darauf das Frühstück brachte, mußten wir aner-
kennen, daß man bei Kerschdorfer unsere Stimmung verstehe, und s«
groß die Kannen mit Kaffee und Obers, so reichlich die Portionen
der vorgesetzten Butter, des Honigs und kalten Fleisches waren, so
blieb doch nichts davon übrig, weil uns die unfreiwillige Enthaltsam-
keit des Vorabends nicht minder dahin brachte, in dieser Beziehung
Großes zu leisten, als die Aussicht, heute erst jenseits des Tauern in
spater Stunde dem Magen etwas, und auch dann vielleicht nur Un-
genießbares bieten zu können.
Endlich war der Leib versorgt und nun brachen nach herzliche»!
Abschied von der Familie Kerschborfer und nach einem erneuerten ver-
geblichen Versuche, der Nose von Krimml in irgend einem Theile des
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918