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Ein Stieifzug dies« unb jenseit« ber Tauern. 359
Bald folgt die letzte Thalstufe im Ahrenthale, welche die Scheide
zwischen der Strecke „im Uhren" und dem Taufererthale bildet. Die
Felsen nahen sich wieder, die Straße senkt sich wieder steil, ein Tan-
nenwald beschattet sie auch hier. Wir mußten heute den gewöhnlichen
Fahrweg verlassen, weil ihn ein Meßbuch aus den westlichen Bergen
zerstört hatte. Wir lenkten daher gegen die östliche Thalwand ein, waren
bald an dem weitläufigen Mauerwerk der alten Veste Täufers, ange-
langt unb fuhren dann den steilen Burgberg hinab. Bereits eröffnete
sich uns der Blick in das Taufererthal bis gegen Brunecken und auf
die Berge, welche es in erster und zweiter Linie umstehen.
In der Thalflache kömmt man zuerst nach Sand und in diesem
Orte überraschen einige stattliche Gebäude, alte Edelsitze, deren origi-
nelle Bauart gerade durch ihre zerstreute Lage recht sichtbar wird.
Wir verließen den Wagen bei der Brücke, welche Sand niit
St. Moriz verbindet, denn an ihr kömmt der Weg aus dein Rainthal
zur Straße, und dieses war jetzt unser nächstes Reiseziel. Doch ver-
weilten wir noch lange auf der Brücke, ehe wir den Marsch antraten,
denn von einem Bilde so herrlich, wie es eben vor uns liegt, schei-
det man nicht nach kurzem Beschauen.
Ich habe ein einziges Mal und zwar in der Mappe eines Di-
lettanten eine Abbildung von Täufers gefunden. Möglich, daß der
Maler findet, die Natur biete hier nicht genug Farben zu einem wir-
kungsreichen Gemälde: sicher bleibt aber, daß an Großartigkeit der
Gruppirung der Landschafter nicht leicht einen vorzüglicheren Stoff
finden kann als Taufers von der Brücke zwischen Sand und St. Moriz.
Im Bordergrunde glitzert der bewegte Wildbach unter der Brücke,
ihr zur Linken erblickt man die pittoresken Häuser von Sand, zur
Rechten jene von St. Moriz mit der alterthümlichen Kirche. Steil
steigt von den letzteren der Burgberg auf und auf ihm thront die aus-
gedehnte Veste. Das mächtige Hauptgemauer überragt ein massenhafter
Thurm, ringsum erheben sich noch Wälle und Vorwerke auf den Felsen.
Zwischen ihnen aber strecken ernste Tannen ihre Aeste aus, wahrend
sie auf dem AbHange, mit dem der Burgberg gegen die Straße und
den Bach abfällt, von keinem Mauerwerk in ihrer Ausbreitung gestört.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918