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Zß2 E'N Streifzllg dies« und jenseits der Tauern.
Vom Sager schritten wir in der Flache des Thales fort, das
sich uns bald in seiner ganzen Gestaltung zeigte. Wir sahen, daß es
durch eine Bergreihe genöthigt ist, sich entschieden nach Nechts zu wen-
den, und dieser Theil heißt das Bachernthal, dessen Hintergrund pracht-
volle Gletscher aus der Niesmfernergruvve einnehmen.
Doch auch in der Richtung, welche das Nainthal vom Sager
weg Anfangs einhält, läuft, wie nns dies eine Furche zwischen den
Bergen verräth, ein Thal fort. Das ist das Knuttmthal. Vor seinen
Ausgang in's Rainthal haben sich die nächsten Hügel uns zur linken
Seite gelegt. Auf ihnen erblicken wir die Kirche St. Wolfgang mit
dem Widuin (Pfarrhause) und einigen Häuschen, zu welchen denn auch
der Weg führt, der von der ersten Häuseigruvpe am Bache auf die
Höhe anzusteigen beginnt.
Wir erfuhren an diesen Häusern, daß das Wirthshaus auf dem
Hügel gerade vor uns liege. Wir wanderten daher noch ein Stück
auf dem Thalbodeu fort, kletterten dann den Hügel hinan, wobei uns
eine einzelne Arve, welche man uns als Wahrzeichen des Wirthshauses
gezeigt hatte, als Wegweiser diente, und kamen um I I Uhr an die-
sem unsern nächsten Ziele an.
Hier fanden wir die Wirthin, ein kräftiges Weib in mittleren
Jahren, damit beschäftigt, Brot zu backen, und da im Gebirge immer
ein Vorrath für mehrere Wochen auf einin»l.__g.ebacken. wird, so lagen
die runden Mehlfladen in großer Zahl herum, vorgerichtet, um in den
Ofen gegeben zu werden, aus dem sie erst dann wieder zum Vor-
schein kommen, wenn sie hart wie Stein geworden sind. Die Wirthin
war allein mit einem kleinen Buben von 6 bis ? Jahren, und weil
weder das Brot noch wir vcrnachläßigt werben durften, 'so hatte sie
vollauf zu thun und verwendete auch ihren Jungen, der uns die Dienste
eines Kellners leisten mußte, und es wenigstens mit ungleich größerem
Berufseifer that als Monsieur Jean und Jacques in der Nesidenz.
Als uns aber außer der Bereitwilligkeit zu geben, was vorhanden
war, auch wahrhaft gute Knödel und ein genießbares Eiergericht ge-
boten wurden, hielten wir mit unserem Lobe nicht länger zurück und
erfreuten die thätige Hausfrau dadurch nicht wenig.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918