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Ein Streifzug dies» und jenseits der Tanern. 383
Da nun der eigentliche Thalbodcn höher fortläuft und gegen
den Bach steil abbricht, so mußten wir, nachdem wir zuerst Noth ge-
nug gehabt hatten, vom Fuße des Thorls, ohne durch bebaute Felder
zu gehen, den einzigen gebahnten Weg aufzufinden, der das Thal nach
der Länge durchzieht, jetzt wieder bemüht fein, von ihm an einer Stelle
abzulenken, von wo ans wir zu einem gangbaren Steige über den
gegen den Bach abbrechenden Schutthügel und zum Stege über das
Wildwasser kommen würben. Nach einigen kleinen Verirrungen gelang
es und wir saßen drei Viertelstunden, nachdem wir vom Thörl weg
gegangen oder eigentlich gelaufen waren, im Wirthshause von Kals.
Der halbe Feiertag hatte auch hier die Leute in das Wirths-
haus geführt. Außen war eine Kegelpartie in vollem Gange, innen
ein runder Tisch mit Gästen besetzt. Wir knüpften ein Gespräch au
und fanden fast durchgehends aufgeweckte Leute. Vor Allem jedoch
gefiel uns der Wirth, ein ganz verständiger Mann mit einem natürlich
guten Benehmen.
Daß die Kalscr gewandter im Umgänge mit Fremden sind als
in der Regel die Bewohner ähnlicher Winkel der Erde, erklärten wir
uns ans ihrem hänsigcn Verkehr niit der Außenwelt, besonders des
Viehhandcls halber, welcher jährlich viele Händler in das Thal und
die Kalser aus dem Thale führt. Dagegen überraschte uns etwas
Anderes an ihnen. Unmittelbar vor dem WirthZhausc fließt der Kalser-
bach vorbei. Er führt fast blos Gletscherwasfer und es fiel uns nun
nicht wenig auf, die Bauern ihre großen Gläser aus dem Bache imnicr
wieder füllen und austrinkm zu sehen. Der Wirth, der darüber gar
nicht aufgehalten war und* an kein Stoppelgeld zu denken schien, sagte
uns auf unsere Frage, daß hier das Keeswasser für sehr gesund gclte.
Zur Ehre dieser löblichen Ansicht der Kalser, hatte ich bald einen Krng
mit Gletfchermilch in der Hand und trank das trübe, wahrhaft milch-
artige Wasser mit den stets aufsteigenden Wolken wie schon so oft
früher auch heute wieder mit Behagen. ^)
Ich erfuhr später, als chaialtenstisch für das Kalscr V'öMcin, von der
allcrcompctcütestc» Seite, daß die Gemeinde Kal« gar keine Armen hat,
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Titel
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Autor
- Anton von Ruthner
- Verlag
- Carl Gerold's Sohn
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.8 x 19.2 cm
- Seiten
- 440
- Schlagwörter
- Alpen, Gebirge, Natur
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918