Seite - 108 - in Berg- und Gletscherfahrten in den Alpen in den Jahren 1860 bis 1869

108 Die große Tiepfte, welche die westliche Seite des Gletschers überragen. Ein tüchtiges Klettern brachte uns bald auf den Kamm des Grats, der gegen Süden hinabzieht, und von dort führte auf den Col du Lion eine lange natürliche Treppe, auf der wir selten genöthigt waren, die Hände zu Hülfe zu nehmen. Wir tauften die Stelle: „Die große Treppe." Nun mußten wir die Klippen des Tste du Lion um- gehen, die sich über das Couloir erheben. Dieser Theil des Weges wechselt nach den Jahreszeiten bedeutend und war für uns schwierig. Das fortwährend schöne Wetter des Jahres 1861 hatte die Höhe der Schneebetten, die sich an den Berg lehnen, be- deutend verringert, und die bloßgelegten Felsen an der Grenze des Steins und des Schnees besaßen nur wenige Spalten oder Vor- sprüngc, an denen wir uns halten tonnten. Um halb elf Uhr standen wir aber auf dem Col und blickten auf das prächtige Becken nieder, aus dem der Z'Mutt-Gletscher hervorquillt. Wir beschlossen, auf dem Col zu übernachten, da der Platz, wenn man sich auch keine Freiheiten auf ihm nehmen durfte, für uns sehr geeignet war. Auf einer Seite hing eine steile Mauer über dem Tiefenmntten-Glctscher, auf der anderen Seite senkten sich abschüssige glatte Schnecwände, vom Wasser und gefallenen Blöcken durch- furcht, zum Glacier du Lion hinab, auf der Südseite erhoben sich die Klippen des Tste du Lion, auf der Nordseite die große Spitze des Mattcrhorns.* Warf man eine Flasche auf den Tiefenmatten hinunter, so hörte man sie erst nach mehr als zwölf Secunden aufschlagen. Von dieser Seite konnte uns indessen nichts geschehen und ebenso wenig von der entgegengesetzten. Endlich konnte auch von dem Tste du Lion keine Gefahr kommen, da * Unser Holzschnitt ist nach einer Gkizze gemacht, die auf dem Matter- hurwFelsen, genau über dem Eol, aufgenommen wmde.