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sich zusehends auch auf der Ebene einer visuellen nationalen Rhetorik. Postkarten
eigneten sich in vielfacher Weise für eine nationale Indienstnahme: als Bühne für
territoriale Ansprüche ebenso wie als Projektionsfläche nationaler Selbstzuschrei-
bungen.8 Zugleich aber ermöglicht das alltagsnahe Medium Postkarte, diese As-
pekte in einer größeren Perspektive zu sehen. Gerade die Verankerung von Post-
karten im alltäglichen Gebrauch hilft dabei, jenes methodische Problem zu über-
winden, das Pieter Judson im Zusammenhang mit der Erforschung mehrsprachi-
ger Gesellschaften identifiziert hat – dass nämlich vor allem die Narrative der Na-
tionalisten als Quellen vorliegen.9 Postkarten bieten die Möglichkeit, auch das
‚Überleben‘ nicht-nationaler Verhaltensweisen und Einstellungen in mehrsprachi-
gen Gebieten nachzuweisen und eröffnen einen Blick ‚von unten‘ auf die Alltags-
sorgen und -identifikationen der einfachen Bevölkerung.
GEDRUCKT UND VON HAND GESCHRIEBEN:
SPRACHE(N) AUF POSTKARTEN
Im Wesentlichen lassen sich bei Postkarten zwei Ebenen unterscheiden: jene der
gedruckten wie der von Hand geschriebenen sprachlichen Setzungen. Ist das ers-
tere, also die Anbringung von Ortsnamen, Grußformeln und anderen Aufdrucken,
Teil des Produktionsprozesses, so ist das zweitere Teil des Rezeptionsprozesses,
sobald die käuflich erworbene Postkarte handschriftlich adressiert und beschrie-
ben wird. Kann hier also schon einmal auf der Akteursebene unterschieden wer-
den, so lassen sich weitere methodische Fokussierungen ableiten.
So kann die Ebene der gedruckten Betextung von Postkarten in den Themen-
komplex gesellschaftlicher Macht- und Verteilungsverhältnisse von Sprache im
öffentlichen Raum führen. Denn welche ein- oder mehrsprachigen Ortsnamen und
8 Rudolf Jaworski und Milan Škrabec widmen der Inszenierung tschechischer und deut-
scher respektive slowenischer nationaler Ansprüche auf Postkarten eigene Publikatio-
nen: Rudolf Jaworski, Deutsche und tschechische Ansichten. Kollektive Identifikations-
angebote auf Bildpostkarten in der späten Habsburgermonarchie, Innsbruck 2006; Ru-
dolf Jaworski, „Nationale Botschaften im Postkartenformat. Aus dem Bildarsenal deut-
scher und tschechischer Schutzvereine vor 1914“, in: Peter Haslinger (Hg.), Schutzver-
eine in Ostmitteleuropa. Vereinswesen, Sprachenkonflikte und Dynamiken nationaler
Mobilisierung 1860–1939, Marburg 2009, S. 142-285; Milan Škrabec, Slovenstvo na
razglednicah, Ljubljana 2009.
9 Pieter M. Judson, Guardians of the Nation. Activists on the language frontiers of impe-
rial Austria, Cambridge, Mass. 2006, S. 11.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen