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36 | Johannes Feichtinger
Dezember 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichs-
rathe vertretenen Königreiche und Länder“,45 in Ungarn des Gesetzes „Ueber die
Gleichberechtigung der Nationalitäten vom 6. Dezember 1868“.46 Beide hatten die
Gleichberechtigung der im Lande üblichen verschiedenen Sprachen verbürgt,
beide aber – wie erwähnt – den Nationalitäten die Anerkennung versagt.
Bemerkenswert bleibt, dass beide Gesetze die Nationalitätenfrage auf die
Sprachenfrage reduziert hatten.47 So kam es, wie es kommen musste: Die Errun-
genschaften der liberalen Grundgesetzgebung wurden bald auf die Probe gestellt,
so dass in Österreich Judikatur und Politik auf Druck nationaler Aktivisten das
Individualrecht auf Wahrung und Pflege von Nationalität und Sprache in eine Art
„Volksgruppenrecht“ verwandelten. Während in Österreich Nationalitätenschulen
gefordert und zum Teil von nationalen Schulvereinen auch errichtet wurden,48
nutzten in Ungarn die Magyaren als relativ größte nationale Gruppe den nicht ge-
währten Kollektivschutz der Sprachgruppen zur Magyarisierung. Diese ließ bei-
nahe die Hälfte der Bevölkerung – deutsch, rumänisch, slowakisch, romani, ser-
bisch, kroatisch, griechisch und armenisch sprechende Ungarn – als sprachliche
und nationale Minderheiten zurück. Durch das Schulgesetz von 1879 wurde der
Magyarisch-Unterricht in Volksschulen verpflichtend eingeführt. Im Zeitraum
von 1879 bis 1910 vergrößerte sich der Anteil der magyarisch Sprechenden von
45 „Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867, über die allgemeinen Rechte der Staats-
bürger für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder.“ StF: RGBl. Nr.
142/1867, http://www.ris.bka.gv.at.
46 „Ueber die Gleichberechtigung der Nationalitäten. 44. Gesetzartikel vom 6. Dezember
1868“, in: Landesgesetz-Sammlung für die Jahre 1865, 67 und 1868, Pest 21872,
S. 270-278.
47 R. J. W. Evans, „Language and State Building. The Case of the Habsburg Monarchy.
Nineteenth Annual Robert A. Kann Memorial Lecture“, in: Austrian History Yearbook
35 (2004), S. 1-24, hier S. 14.
48 Vgl. Werner Drobesch, „Der Deutsche Schulverein 1880–1914. Ideologie, Binnen-
struktur und Tätigkeit einer (deutsch)nationalen Kulturorganisation unter besonderer
Berücksichtigung Sloweniens“, in: Felix Bister, Peter Vodopivec (Hg.), Kulturelle
Wechselseitigkeit in Mitteleuropa. Deutsche und slowenische Kultur im slowenischen
Raum vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg. Symposium Ljubl-
jana 29.-31. Oktober 1990 (Wissenschaftliche Bibliothek Österreich-Slowenien 1),
Ljubljana 1995, S. 129-154; Andrej Vovko, „Podružnice Družbe sv. Cirila in Metoda
na Tržaškem 1885–1918“, in: Jadranski koledar 1980, S. 222-239.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen