Seite - 40 - in Bildspuren – Sprachspuren - Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
Bild der Seite - 40 -
Text der Seite - 40 -
40 | Johannes Feichtinger
gen, schrieb in Mähren die „Lex Perek“ vor, dass Kinder durch die national seg-
regierten Ortsschulräte jener Schule zuzuweisen waren, deren Unterrichtssprache
mit der Abstammung des Kindes übereinstimmte.61
Durch das „Sprachenzwangverbot“, Ausgleiche, Trennungen und Teilungen
wurden in Österreich Zwei- oder Mehrsprachigkeit staatlich zurückgedrängt, die
ethnische Segregation zum Leitprinzip erhoben, plurikulturelle Handlungszusam-
menhänge blockiert und letztlich – als nicht intendierte Konsequenz – nationalis-
tische Konflikte geschürt. Die im ausgehenden 19. Jahrhundert noch als „Meilen-
stein zu einer idealen Gesellschaftsordnung“ vorgestellte nationalistische Integra-
tionspraxis hatte sich letztlich, so Robert Kann, als die „genaue Antithese überna-
tionalen Staatsdenkens im pluralistischen Sinne“ erwiesen.62
DER LANGSAME ABSCHIED
VOM ‚EWIGEN NATIONALITÄTENKONFLIKT‘
Was vom Habsburgerreich blieb, ist das Bild vom ewigen Nationalitätenkonflikt,
der es zum Untergang verurteilt habe. In der politischen Kategorie der Nationalität
wurde von Habsburg-Forschern lange Zeit der ursächliche Konfliktherd erkannt.
Ab den 1980er Jahren leitete zunehmend die Frage der Gleichberechtigung der
Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848–1918 das Er-
kenntnisinteresse.63 Gerald Stourzh verweist in seinem opus magnum darauf, dass
61 Vgl. Tara Zahra, Kidnapped Souls. National indifference and the battle for children in
the Bohemian Lands, 1900–1948, Ithaca NY 2008; dies., „The Battle for Children: Lex
Perek, National Classification, and Democracy in the Bohemian Lands 1900–1938“, in:
Marek Nekula, Ingrid Fleischmann, Albrecht Greule (Hg.), Franz Kafka im sprachna-
tionalen Kontext seiner Zeit. Sprache und nationale Identität in öffentlichen Institutio-
nen der böhmischen Länder, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 229-242; Gerald Stourzh,
„The Ethnicizing of Politics and ‘National Indifference’ in Late Imperial Austria‘“, in:
Ders., Der Umfang der österreichischen Geschichte. Ausgewählte Studien 1990–2010
(Studien zu Politik und Verwaltung 99), Wien/Köln/Graz 2011, S. 283-323.
62 Robert A. Kann, „Die Habsburgermonarchie und das Problem des übernationalen Staa-
tes“, in: Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1848–
1918: Verwaltung und Rechtswesen. Band 2, Wien 1975, S. 1-56, hier S. 53.
63 Vgl. Johannes Feichtinger, Heidemarie Uhl, „Habsburg Zentraleuropa zwischen 1945
und heute. Wechselnde Perspektiven auf ein Forschungsfeld“, in: Daniel Graziadei, Fe-
derico Italiano, Christopher F. Laferl, Andrea Sommer-Mathis (Hg.), Mythos, Paradies,
Translation. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, Bielefeld 2018, S. 95–109.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen