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206 | Martin Sauerbrey
Im Jahr 1898 liest man:
„(Wassergasanlage, System Strache, in Pettau, Steiermark) Nach Besichtigung der Wasser-
gasanlage im k.k. allgemeinen Krankenhause und Begutachtung derselben durch Sachver-
ständige, beschloss die Gemeindevertretung unter Ablehnung der gleichfalls vorliegenden
Projecte von Steinkohlegas-, Oelgas-, Acetylgas- und elektrischer Beleuchtung die Errich-
tung einer Beleuchtungsanlage mit nichtcarburirtem Wassergas […] Die Hauptstrassen wer-
den mit 100kerzigen, die Nebenstrassen mit 80kerzigen Flammen beleuchtet. Die Anlage,
in welcher das Wassergas aus steirischer Braunkohle gewonnen werden soll, wird noch im
Laufe des kommenden Winters in Betrieb gesetzt werden.“24
Die Arbeiten gestalten sich jedoch offensichtlich schwierig, und der Übergang
wurde wohl nicht so gut geplant, wie die Auswahl des Systems; so berichtet die
Pettauer Zeitung am 14. November 1898:
„(Pettau bei Nacht.)25 Wenn die Gasarbeiten noch immer weiter fortschreiten, werden die
Bewohner Pettaus bald genug aufgeschlagene Kniee, zerschundene Schienbeine und Beulen
aufzuweisen haben. Wo Gruben sind, ist gewöhnlich kein Licht, oder es führen so morsche
oder schwache Bretter hinüber, dass sie zu wahren Fallgruben werden. Es scheint man pro-
tegiert hier Fallgruben und Fallstricke. […] Wir rufen mit Göthe [sic]: „Licht, mehr Licht“
[…] Seit einiger Zeit, seit sich die Laufgräben und Schachte, die Erdwälle und Dämme
vermehren, vermindert sich die ohnedies elende Beleuchtung von Pettau sowohl quantitativ
als auch qualitativ. […] Laternen […] sind so heruntergeschraubt, dass man sie nicht mehr
sieht, sondern nur mehr riecht. Wahrscheinlich ist dieser Tric von einem genialen Kopf aus-
gedacht, der sich denkt, je düsterer die Petroleumlampen brennen, desto mehr Effekt wird
dann das Wassergas machen.“26
Eine im Jahr 1900 gelaufene Postkarte des Verlegers Wilhelm Blanke beweist,
dass die Bauarbeiten letzten Endes aber doch erfolgreich abgeschlossen wurden.
Sie zeigt das Innere des Wassergaswerkes, das das für die Beleuchtung der Straßen
notwendige Gas herstellte, mit einem Bediensteten – Blanke verlor nicht viel Zeit,
um diese Sensation festzuhalten und der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, und
zu guter Letzt konnte man ja doch stolz auf die moderne Straßenbeleuchtung
24 Der Gastechniker, Organ des Vereines der Gasindustriellen Österreich-Ungarns,
XXV. Band, Heft 9, Wien 1896, S.212 und XXX. Band, Heft 10, Wien 1898, S. 237.
25 Der Titel dieses Zeitungsberichts entspricht übrigens jenen Titeln, die auf – zu dieser
Zeit sehr beliebten – Postkarten im Stil „XY bei Nacht“ zu finden waren. Siehe:
https://gams.uni-graz.at/o:polos.841
26 Pettauer Zeitung vom 14. November 1898, S. 3.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen