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Bildspuren – Sprachspuren - Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
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Von Schienen, Schloten und Schulen | 209 eine Sichtbarmachung des ländlichen Raumes, bewirkte, dass die Adressaten sich ein Bild von einer bis dahin kaum bebilderten ländlichen Welt machen konnten, also endlich sehen konnten, wie eine ihnen vielleicht gänzlich unbekannte Region aussah. Die Eindrücke, die über Postkarten vermittelt wurden, waren jedoch – ana- log zu der Präsentation von Industrie und Fortschritt – keine zufälligen. Private Postkartenverleger wie Gasthäuser und Geschäfte suchten sorgfältig aus, was dar- gestellt wurde und was die Welt zu sehen bekommen sollte. Zugegeben war die Auswahl in den meisten Dörfern beschränkt, aber dennoch bildete sich ein Kanon des Herzeigbaren heraus, der auf unzähligen Postkarten zu sehen ist. Dazu gehör- ten allen voran Kirchen, Schlösser und Burgen, Gasthäuser, Geschäfte, die Post und auch Schulen. Man zeigte also alle wichtigen Eckpunkte des dörflichen Le- bens. Die Schule, meist neben der Kirche das größte und modernste Gebäude im Ort, nahm hier sehr oft eine prominente Rolle ein.30 Ein gutes Beispiel für diesen Bildkanon ist die Karte aus Abb. 6, in der sowohl Kirche, Schloss, Gasthaus oder Geschäft, die Schule und eine Brücke des Ortes Petrovče/Pletrowitsch abgebildet sind, wodurch alle Sehenswürdigkeiten des Dor- fes abgedeckt wurden. Im anbrechenden 19. Jahrhundert waren die Alphabetisierungsraten vor allem im ländlichen Raum noch sehr niedrig. Während im städtischen Raum bereits Schulen vorhanden waren und die Zahl derjenigen, die eine zumindest rudimen- täre schulische Ausbildung erhalten hatten stieg, fehlte sie im ländlichen Raum stärker. Durch die Modernisierung und den staatlich orchestrierten Ausbau des Schulsystems ab 1848 aber veränderte sich diese Situation in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts frappant. Stellte der Analphabetismus noch über die längste Zeit des 19. Jahrhunderts kein Stigma dar, so hatte er am Ende des Jahrhunderts seine historische Selbstverständlichkeit verloren.31 Lesen und Schreiben waren nun erstrebenswerte Fähigkeiten und fungierten auch als Eintrittskarten in eine bessere Zukunft. Der Staat förderte diese Entwicklung durch den Bau von Schulen in noch so abgelegenen Dörfern; die Verbreitung der Lesefähigkeit wurde zu ei- nem der „wichtigsten kulturellen Basisprozesse des 19. Jahrhunderts.“32 Im Jahr 30 Almasy, Tropper, Štajer-mark. S. 54-55. 31 Karin Almasy, „Prosperität und Modernisierung der Untersteiermark zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Spiegel illustrierter Postkarten“, in: Harald Heppner (Hg.), Pros- perität und Wirtschaftaufschwung im Donau-Karpatenraum 1718–1918 [Arbeitstitel], im Druck. 32 Osterhammel, Verwandlung, S. 1117.
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Bildspuren – Sprachspuren Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
Titel
Bildspuren – Sprachspuren
Untertitel
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
Autoren
Karin Almasy
Heinrich Pfandl
Herausgeber
Eva Tropper
Verlag
transcript Verlag
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-4998-1
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
346
Schlagwörter
Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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