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226 | Barbara Porod
tail, das Hubad 1890 noch als typisch für die Umgebung von Celje/Cilli be-
schrieb.24 Der Rock mit grünem Stehkragen, Hirschhornknöpfen und Rückfalte
bedürfe ohnedies nur geringer „Nachhilfe“; ebenso seien Lackschuhe zulässig.25
Was die Materialwahl angeht, schätzte Gaß Hausloden und Hausleinen.26
Bis zur Kanonisierung der ‚Tracht‘ im Steirischen Trachtenbuch ab 1935 und
den damit in Zusammenhang stehenden Bestrebungen zur Trachterneuerung, also
der bewussten Neuschöpfung von Trachten unter Einbeziehung historischer Ab-
bildungen oder einzelner Kleidungsstücke, gab es speziell für Frauen kaum
„trachtliche“ Kleidung. Zu diesem Befund passt auch der Gwandkasten27, eine
1925 in Graz erschienene Mappe von 16 als Anleitung für das Schneiderhandwerk
gedachten Blättern mit Modebildern von ‚Tracht‘, von denen nur zwei Frauenklei-
dung zeigen, und zwar Varianten des sog. Trachtenkostüms, also eines Damen-
kostüms, das in Stoffwahl und Auszier an die Jagdkleidung der Männer angegli-
chen ist.
Es wird also deutlich, dass bis zu den Normierungsprozessen der Zwischen-
kriegszeit die Vorstellungen von einer ‚steirischen Tracht‘ noch keineswegs ein-
heitlich und klar waren. Für die Produktion von Postkarten mit Trachtmotiven um
die Jahrhundertwende bedeutet dies, dass nicht einfach auf vorhandene Vorbilder
zurückgegriffen werden konnte, sondern mit unterschiedlichen Kunstgriffen das
‚typisch Steirische‘ neu erschaffen werden musste, noch bevor die Kleidung selbst
durch die Trachterneuerung28 erschaffen und vereinheitlicht war. Hierbei fallen
drei unterschiedliche Modi des Vorgehens auf, die im Folgenden exemplarisch
dargestellt werden.
24 Hubad, „Volksleben, Sitten und Sagen der Slovenen“, S. 211; so auch noch 1935 bei
Mautner/Geramb, Steirisches Trachtenbuch, S. 270 und Abb. 154-155.
25 Gaß, Was ziehe ich nach dem Kriege an?, S. 9.
26 Ebda, S. 4 und 10.
27 Gwandkasten (o. Autor), Graz 1925.
28 Dazu, besonders auch zum Prozess der Trachterneuerung mit sehr anschaulichen Bei-
spielen: Friederike Weitzer, Steirische Frauentrachten: Variationen und Innovationen
in der Gegenwart (ungedr. Dipl.-Arb., Graz 2005) und kürzlich konzise zusammenge-
fasst: Roswitha Orac-Stipperger, „Entwicklung und Erneuerung steirischer Frauen-
trachten“, in: Monika Primas, Eva Heizmann, Anita Schmid (Hg.), Froschgoscherl,
Kittlblech und Hexenstich: die steirischen Frauentrachten, Graz 2018, S. 11-17.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen