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Motiv Stadt, Motiv Mensch | 239
der einstigen Stadtmauern und begann sich gegen Norden, Nordosten und Nord-
westen und auch in die Vorstädte, die bislang eher dem Puls des ländlichen Lebens
gefolgt waren, auszubreiten. Vor allem Richtung Norden und Osten, in Richtung
des Bahnhofes, nach den Regulierungsplänen teilweise auch Richtung Nordosten
entstand ein Netz aus Mietshäusern, die meistens von Vertretern des höheren Mit-
telstands bewohnt wurden. Noch weiter gegen Norden hin, unter den Hügeln rund
um die Stadt, begannen die vermögenderen Stadtbewohner Ein- oder Mehrfamili-
envillen zu errichten.6 Nachdem in den 1860er Jahren ein Kanalisationssystem zu
entstehen begonnen hatte, bekam die Stadt 1869 ein Gaswerk und 1901 auch Was-
serleitungen.7 Eine besonders wichtige Investition waren die Südbahnwerkstätten
mit entsprechenden Wohnkolonien zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-
derts. Es begannen kleinere Industriebetriebe zu entstehen, von denen einige spä-
ter zu großen Fabriken heranwuchsen. Einige wichtige öffentliche Gebäude wur-
den errichtet: das Theater mit dem Casino (1852, 1864), der Bahnhof (1846, siehe
Abb. 1), das Sparkassengebäude (1884–86), die Strafanstalt (1884–89), das Post-
gebäude (1892–94) und das slowenische Volkshaus Narodni dom (1897–99). Die
Infanterie-Kadettenschule am rechten Drauufer war eines der ersten imposanten
staatlichen Gebäude in Maribor/Marburg (1853–56). In den 1890er Jahren wurde
der heutige Slomškov trg (der damalige Domplatz) und zu Beginn des 20. Jahr-
hunderts durch den Bau der neuen Reichsbrücke auch der Hauptplatz (Glavni trg)
wesentlich umgestaltet. Mehrere imposante Wohn- und Geschäftspalais wurden
errichtet: Der Ludwig- sowie der Theresienhof (Ludvikov in Terezijin dvor) am
Hauptplatz, der Scherbaumhof am Burgplatz (Scherbaumov dvor), der Martinshof
(Martinčev dvor) an der Tegetthoffstraße (heutige Partizanska) und viele mehr.
An der Tegetthoffstraße wurde zudem die neue Franziskanerkirche errichtet
(1892–1900), die rasch zum wichtigen Postkartenmotiv wurde.
Die urbanisierte Stadt brachte den Bürgern sicherlich neue Erfahrungen und
Selbstbewusstsein ein. So lobte beispielsweise ein Kommentar in der Marburger
Zeitung den Anblick des neuen Cafés im Theresienhof am Hauptplatz bei seiner
Eröffnung 1913 als „kleine Sensation“ und „wirklich großstädtisches Bild“ und
als „Wahrzeichen des modernen Marburg“.8 Während die Marburger gegen Ende
des 19. Jahrhunderts in den Höfen ihrer Häuser vielfach immer noch Heu für ihre
Pferde, Kühe oder sogar Schweine lagerten,9 floss zu Beginn des 20. Jahrhunderts
6 Jerneja Ferlež, Stanovati v Mariboru, Maribor 2009, S. 144-158.
7 Jerneja Ferlež, „Das mentale und physische Hinauswachsen über die Grenzen des alten
Maribors“, in: Mogersdorf: Internationales Kulturhistorisches Symposion, Szigetvár
2016, S. 65-79.
8 N. N., „Theresienhof“, in: Marburger Zeitung, 52, 106, 4. 9. 1913, S. 4.
9 Jerneja Ferlež, Mariborska dvorišča: etnološki oris, Maribor 2001, S. 131-135.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen