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270 | Joachim Bürgschwentner
der Zeitgenossen überein.3 Zwar hat die historische Forschung auch das frühere
Bild einer allumfassenden anfänglichen Kriegsbegeisterung korrigiert,4 doch
wenn auch nicht Euphorie, so überwogen dennoch in weiten Teilen der Habsbur-
germonarchie zunächst Gefühle der Notwendigkeit, Pflichterfüllung und Loyali-
tät. Und wie das Eingangszitat dieses Beitrags belegt, wurde der Kriegsausbruch
1914 auch als Chance wahrgenommen, die Monarchie über sprachliche und eth-
nische Grenzen hinweg zu vereinen.5 Innere Einheit herzustellen und aufrechtzu-
erhalten war eine Notwendigkeit für alle beteiligten Staaten dieses Krieges, der
nicht mehr nur vom Aufeinandertreffen der Armeen, sondern von der Einbindung
der gesamten Bevölkerung in die Kriegsanstrengungen, mithin einer Entwicklung
hin zum totalen Krieg6 geprägt war. Fritz Antonius, Mitarbeiter im k. u. k.
Kriegsarchiv, sah 1915 ein Geheimnis zum Sieg in diesem „modernen Krieg“ in
einer „die Gesamtheit des Volkes umfassenden“ und „bis ins Kleinste durchdach-
ten und durchgeführten Arbeitsteilung, die eine volle und restlose Ausnützung der
verfügbaren Kräfte gestattet“.7 Dass seine Feststellung die Einleitung zu einem
Beitrag über die Kriegsfürsorge bildet, ist dabei kein Zufall.
3 Pieter M. Judson, Habsburg. Geschichte eines Imperiums 1740–1918, München 32019.
4 Jeffrey Verhey, Der "Geist von 1914" und die Erfindung der Volksgemeinschaft, Ham-
burg 2000. Für Tirol vgl. Oswald Überegger, „Illusionierung und Desillusionierung“,
in: Hermann J. W. Kuprian, Oswald Überegger (Hg.), Katastrophenjahre. Der Erste
Weltkrieg und Tirol, Innsbruck 2014, S. 41-59. Zur Steiermark u.a. Moll, Die Steier-
mark im Ersten Weltkrieg, S. 44-53.
5 Andererseits schwingen in diesem Zitat implizit auch Zweifel an der Loyalität der ita-
lienischsprachigen Bevölkerung mit. In der Tat führten Misstrauen und Abneigung ge-
genüber anderen Sprachgruppen früh zu Konflikten und Übergriffen. Für die Steier-
mark vgl. Martin Moll, Kein Burgfrieden. Der deutsch-slowenische Nationalitätenkon-
flikt in der Steiermark 1900–1918, Innsbruck 2007.
6 Zu diesem Begriff vgl. Stig Förster (Hg.), An der Schwelle zum totalen Krieg. Die mi-
litärische Debatte über den Krieg der Zukunft, 1919–1939, Paderborn, München u.a.
2002.
7 Fritz Antonius, „Kriegsfürsorge“, in: Alois Veltzé, Emil von Woinovich (Hg.), Aus der
Werkstatt des Krieges. Ein Rundblick über die organisatorische und soziale Kriegsar-
beit 1914/15 in Österreich-Ungarn, Wien 1915, S. 245-260, hier S. 245.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen