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316 | Jernej Kosi
der Gemeinden. Und was den Deutschunterricht betrifft, habe der Bezirksschulrat
von Šmarje pri Jelšah bereits sofort nach dem Zerfall der österreichisch-ungari-
schen Monarchie und dem Entstehen des „Staates der Slownen, Kroaten und Ser-
ben“ („Država SHS“) eine eindeutig ablehnende Haltung eingenommen. Schon
Anfang Dezember 1918 hätten die Mitglieder dieses Gremiums in ihrer Sitzung
beschlossen, dass der Deutschunterricht in allen Volksschulen des Bezirks Šmarje
unverzüglich einzustellen sei, eine Entscheidung, welche auch von der Nationalen
Regierung (Narodna vlada) in Ljubljana später bestätigt wurde. Daraus ließen sich
also nach Meinung der Vertreter von Šmarje pri Jelšah am Beginn des Jahres 1919
keinerlei formale Argumente für eine neuerliche Einführung des Deutschunter-
richts in den slowenischen Volksschulen ableiten.2
Die Mitglieder des Bezirksschulrates begründeten ihre Ablehnung allerdings
nicht nur mit juristischen Argumenten und mit dem Beharren auf Gesetzesent-
scheidungen, die in einem Staat getroffen wurden, der 1919 nicht mehr bestand.
Der rein legistische Ton des Briefes wurde nämlich schon nach wenigen Zeilen
von einer Rhetorik der sprachlichen Exklusivität abgelöst. Das Studium des Deut-
schen sei, so die Meinung der lokalen Vertreter, schon in österreichisch-ungari-
scher Zeit eine komplett überflüssige Zeitvergeudung sowie eine übermäßige Be-
lastung der Lehrer gewesen, und habe bei den slowenischsprachigen Schülern von
Šmarje zudem nicht einmal einen besonderen Erfolg erzielt. Außerdem seien die
meisten slowenischen Einheimischen auch schon bisher sehr gut ohne Deutsch-
kenntnisse ausgekommen, und nun, im Königreich der Serben, Kroaten und Slo-
wenen, würden ihnen mögliche Deutschkenntnisse ohnehin von keinerlei Nutzen
sein. Dabei vergaßen sie auch nicht darauf hinzuweisen, dass es gerade die Schule
von Šmarje war, welcher es als erster auf dem slowenischen Gebiet gelang, mit-
hilfe einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bereits dreißig Jahre zuvor
das Deutsche von einem Pflicht- zu einem Wahlfach herabzustufen. „Und jetzt“,
fragten sich die Mitglieder des Bezirksschulrates rhetorisch, „jetzt, wo wir in un-
serem eigenen, freien Staat leben, wo wir uns der feindlichen Fremdherrschaft
entledigt haben, sollen wir weiterhin eine deutsche Ferse, wenn auch in einem
slowenischen Stiefel, spüren? Nein und nochmals nein!“3 Deshalb müsse sich, so
2 Arhiv Republike Slovenije, SI AS 53 Deželni šolski svet za Kranjsko (1851-1943), t.e.
20, a.e. 44, Krajni šolski svet Šmarje pri Jelšah – Višjemu šolskemu svetu, 10.2.1919.
[Brief des Bezirksschulrates Šmarje pri Jelšah an den Oberschulrat vom 10.2.1919]
3 Originalwortlaut: „In sedaj, ko smo v svoji svobodni državi, smo prosti tujčeve sovražne
nadvlade, naj še vedno občutimo nemško peto če tudi v slovenskem škornju? Ne, pa
ne!“ (ebda).
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen