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326 | Jernej Kosi
auf Deutsch, Slowenisch und sogar, wenn auch selten, in einer Mischung aus bei-
den Sprachen aus.
In diesem Sinne stellte denn auch der Zerfall der Doppelmonarchie einen bedeu-
tenden Einschnitt dar. Auf dem Territorium der Untersteiermark gelang es der Na-
tionalen Regierung für Slowenien (Narodna vlada za Slovenijo) im Herbst und
Winter 1918 ihre Herrschaft zu etablieren, und das Gebiet wurde unter dem neuen
Namen Slovenska Štajerska ('Slowenische Steiermark') in den SHS-Staat ('Staat
der Slowenen, Kroaten und Serben') integriert. Mit dem Friedensabkommen
wurde dieser Teil des ehemaligen habsburgischen Kronlandes Steiermark zu ei-
nem Bestandteil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, der verwal-
tungstechnisch in den ersten Nachkriegsjahren dem Verwaltungskörper der Nati-
onalen (später Landes-)Regierung in Ljubljana unterstellt wurde.10
Beginnend mit der Machtübernahme durch den Landes- und Staatsapparat im
Herbst 1918 wurden zahlreiche Maßnahmen unmittelbar gegen potenzielle innere
Feinde – Angehörige der deutschsprachigen Bevölkerung Krains und der Unter-
steiermark – gerichtet. Insbesondere in der Untersteiermark überwog, wie Andrej
Studen feststellt, „in den ersten Nachkriegsjahren das ‚Ethos der Rachsucht‘ ge-
genüber dem Gefühl für Gerechtigkeit. Es befand sich in ständigem Konflikt mit
der Idee der Gesetzlichkeit und der Wahrung der Gleichberechtigung“.11 Die un-
tersteirischen slowenischen Nationalisten, die in den posthabsburgischen Verwal-
tungskörpern wichtige Positionen innehatten, bekamen unter den nun veränderten
Bedingungen die Möglichkeit, mit (vermeintlichen) Denunzianten abzurechnen,
also mit jenen, die bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit Vorwürfen der „Ser-
bophilie“ an ihrer Verfolgung beteiligt gewesen waren. Und meist suchten sie
diese Gegner in den Reihen ihrer nationalen Widersacher aus der Vorkriegszeit.
Insgesamt trug aber zur Radikalität der Maßnahmen gegen die deutsche (oder
durch die slowenische Verwaltung als solche vermeintlich identifizierte deutsche)
Bevölkerung Krains und der Untersteiermark auch ein starkes Gefühl der Bedro-
hung bei. In der unruhigen postimperialen Zeit der Grenzstreitigkeiten in der Stei-
ermark und in Kärnten sowie der italienischen Besetzung des ehemals österreichi-
schen Küstenlandes machte sich in den Reihen der slowenischen politischen und
10 Über den Umbruch vgl. Jurij Perovšek, „Die Slovenen in der Umbruchszeit und im
neuen jugoslavischen Staat (1918-1929)“, in: Harald Heppner, Eduard Staudinger
(Hg.), Region und Umbruch 1918: zur Geschichte alternativer Ordnungsversuche,
Bern 2001, S. 69-85; Jurij Perovšek, Slovenska osamosvojitev v letu 1918: študija o
slovenski državnosti v Državi Slovencev, Hrvatov in Srbov, Ljubljana 1998.
11 Andrej Studen, „‚Odstranjevanje prejšnje zunanjosti in ponemčevalnega stremljenja
šolske oblasti‘: preustroj šol na Spodnjem Štajerskem v prevratni dobi“, Aleš Gabrič
(Hg.), Slovenski prelom 1918, Ljubljana 2019, S. 161-180; hier S. 162.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen