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334 | Jernej Kosi
DIE SLOWENISCHE STEIERMARK AUF DEM WEG
ZUR VÖLLIGEN SPRACHLICHEN HOMOGENISIERUNG
IM 20. JAHRHUNDERT
Im Herbst 1918 wurde die Untersteiermark also jenen Gebieten angeschlossen,
die unter der Kontrolle der Nationalen Regierung für Slowenien in Ljubljana stan-
den und die nun auch in den offiziellen Dokumenten unter der Bezeichnung ‚Slo-
wenien‘ geführt wurden. Damit wurde in der Untersteiermark die politische und
territoriale Vision der slowenischnationalen ethnolinguistischen Aktivisten reali-
siert, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mehr oder weniger intensiv für
die Errichtung einer neuen territorialpolitischen Einheit stark gemacht hatten, in
welcher alle Sprecher der slowenischen Sprache vereint zusammenleben sollten,
also eine Bevölkerung, welche die Aktivisten als Angehörige des slowenischen
Volkes ansahen, und zwar ungeachtet der von diesen Personen real geäußerten
identifikatorischen Präferenzen. Gleichzeitig wurde nach 1918 die lokale unters-
teirische Bevölkerung in zwei Kategorien aufgeteilt und schubladisiert: in die
Mehrheit der Slowenen und die Minderheit der Deutschen.23 Die slowenischen
und später jugoslawischen Machthaber versuchten in der Zwischenkriegszeit frei-
lich auf unterschiedliche Art und mit mannigfaltigen mehr oder weniger gewalt-
samen Maßnahmen, den Anteil der Bevölkerung, die sich als deutsch verstand, zu
verringern. Ebenso wurde versucht, die Verwendung der deutschen Sprache in
verschiedenen sozialen Kontexten zurückzudrängen. Bis zum Ausbruch des Zwei-
ten Weltkriegs waren die diesbezüglichen Bemühungen nur zum Teil von Erfolg
gekrönt und führten nicht zu einer vollständigen sprachlichen Homogenisierung
der ehemaligen Untersteiermark. Die diesbezüglichen politischen und kulturellen
Druckmittel in den Jahren nach dem Zerfall der Monarchie trugen ganz im Ge-
genteil eher zu einer beschleunigten Nazifizierung eines bedeutenden Teils der
untersteirischen Deutschen in den 1930er Jahren bei.24
23 Über das Entstehen einer sprachbasierten Konzeption der slowenischen nationalen Ge-
meinschaft vgl. Jernej Kosi, Kako je nastal slovenski narod: Začetki slovenskega naci-
onalnega gibanja v prvi polovici 19. stoletja, Ljubljana 2013; Rok Stergar, Jernej Kosi,
„Kdaj so nastali ‚lubi Slovenci‘? O identitetah v prednacionalni dobi in njihovi dom-
nevni vlogi pri nastanku slovenskega naroda“, Zgodovinski časopis 70 (2016), S. 458-
488; Jernej Kosi, „The Imagined Slovene Nation and Local Categories of Identification:
„Slovenes” in the Kingdom of Hungary and Postwar Prekmurje“, Austrian History
Yearbook 49 (2018), S. 87-102.
24 Über die Nazifizierung der deutschen Minderheit vgl. Cvirn, „Nemci na Slovenskem“,
S. 134-139; ebenso Dušan Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji: 1933-1941, Ljubljana
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Titel
- Bildspuren – Sprachspuren
- Untertitel
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Autoren
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Herausgeber
- Eva Tropper
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen