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8 vermittelt – gefördert vor allem von den neuen Orden, den Franziskanern und Do-
minikanern, die entsprechend ihrem pastoralen Auftrag in die Städte gingen, um
die Laienfrömmigkeit zu fördern und damit das Bildungsniveau zu erhöhen.5 Es
ist mehr als wahrscheinlich (wenn auch in Nahsicht noch schwer zu belegen), dass
die private Verfügbarkeit von Schrift und Bild die Rezeption von Bildern auch im
öffentlichen Raum veränderte.
Jedenfalls lässt sich die durch die Überlieferung der Bücher nachvollziehbare
Ausweitung von Interessen und Kompetenzen mit anderen, teils langfristigen, teils
abrupt auftretenden Dynamiken auf dem Gebiet der Bildsprachen und -formen
verbinden. In den nordostfranzösischen Kathedralbauhütten des mittleren 12. Jahr-
hunderts eingeleitete Entwicklungen führten nach der Mitte des 13. Jahrhunderts zu
gemeinsamen Standards in der Plastik West-, Mittel- und teils auch Südeuropas:6
Am Ende des Jahrhunderts gab es ein „gotisches“ Europa nicht nur der Bauwerke,
sondern auch der Skulpturen, die ihrem Publikum mit neuen Ausdrucksmöglich-
keiten entgegentraten. Dies steht in Kontinuität mit der sozio-kulturellen Füh-
rungsrolle der Region zwischen Seine und Rhein, die sich im Früh- und Hoch-
mittelalter ausgebildet hatte.7 Hingegen war es eine Folge des vierten Kreuzzugs
mit der Eroberung Konstantinopels (1204), dass aus lokalen Traditionen und einer
vereinnahmenden Sicht auf die byzantinische Welt mit ihren halb vertrauten, halb
fremden visuellen Medien eine eigene mitteleuropäische und eine eigene italieni-
sche Malerei entstanden – abgrenzbar gegen die Malerei Westeuropas.8 Überhaupt
war Italien nach 1204 von einem geopolitisch gewandelten Mittelmeer umspült und
fand vom Rand des Kontinents zurück in eine Zentralposition, so dass, was dann
in der Giotto- oder Dante-Zeit dort entwickelt werden sollte, langfristig in ganz
Europa Folgen hatte.9
Mit den genannten Punkten sind einige wesentliche Vorgänge in der Geschichte
der Bilder und Bücher angesprochen, die während des 13. Jahrhunderts – pauschal
gesagt: zwischen den Miniaturen des Ingeborg-Psalters und den Fresken der Are-
na-Kapelle – eine wichtige Etappe auf dem „Siegeszug der Darstellungsfertigkeit“
(Ernst Gombrich) bildeten, wie er für die Kunst Europas in der ersten Hälfte des
Heitzmann (Hg.): Der Albani-Psalter. Stand und Perspektiven der Forschung. Hildes-
heim u. a. 2013, S. 15–31, bes. S. 25.
5 Bert Roest: A History of Franciscan Education (c. 1210–1517). Leiden 2000; Studio e
studia. Le scuole degli ordini mendicanti tra 13. e 14. secolo. Atti del 29. Convegno
internazionale, Assisi, 11.10.–13.10.2001; Thomas Ertl: Netzwerke des Wissens. Die Bet-
telorden, ihre Mobilität und ihre Schulen. In: Matthias Puhle (Hg.): Aufbruch in die
Gotik. Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit. Bd. 1: Essays, Mainz 2009,
S. 312–323; Jörg Oberste: Predigen in der Stadt. Die mittelalterlichen Dominikaner in
ihrem urbanen Umfeld. In: Elias H. Füllenbach (Hg.): Mehr als Schwarz und Weiß. 800
Jahre Dominikanerorden. Regensburg 2016, S. 43–61, 341–343.
6 Paul Williamson: Gothic Sculpture 1140–1300. New Haven 1995.
7 Michael Mitterauer: Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs.
München 2009, S. 87 und passim.
8 Vgl. Hans Belting (Hg.): Il Medio Oriente e l’Occidente nell’arte del XIII secolo. Atti
del XXIV Congresso Internazionale di Storia dell’Arte 2. Bologna 1982.
9 David Abulafia: The Great Sea: A Human History of the Mediterranean. London 2011,
S. 329–359.
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
- Titel
- Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
- Autor
- Christine Beier
- Herausgeber
- Michaela Schuller-Juckes
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21193-8
- Abmessungen
- 18.5 x 27.8 cm
- Seiten
- 290
- Kategorien
- Geschichte Chroniken