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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
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22 paul Binski indem es aufzeigt, und uns gleichzeitig mit Unterstützung dessen anleitet, was für die Sinne wahrnehmbar ist. Die Ausrichtung dieser Kunstwerke ist sozial: Sie sollen durch künstlerische Mittel (Farbe, Form) lenken und ordnen, bewegen und anregen (Funktion), und durch das Hervorrufen von Überlegungen Urteilsvermögen, Ermahnung, Über- zeugung, Tat und Glauben hervorbringen (Ziel). Nennen wir Letzteres das „Über- zeugungsziel“ solcher Kunstwerke. Dieses Überzeugungsziel, das einen gefestigten Glauben anvisiert, ist zwangsläufig ein moralisches, ein theologisches oder ein kon- fessionelles. Es setzt jedoch die Bereitwilligkeit voraus, ein Kunstwerk entsprechend wahrzunehmen.26 Es ist wichtig, dass dies vernunftgesteuert geschieht und nicht infolge eines blendenden Blitzschlags. Körpersprache und Ereignishorizont solcher Kunstwerke mögen dramatisch sein, sie sind zwingend übernatürlich, aber daraus folgt nicht, dass der alltägliche Umgang mit ihnen blendet, verzaubert oder in den Bann schlägt und somit eine eigene Entscheidung, den eigenen Willen, eine ratio- nale Einlassung oder die eigene Verantwortung außer Kraft setzt. Figurae, moralitas Wichtig ist, dass es keinen Grund zu der Annahme gibt, diese Kunstwerke hätten den Ausdruck von Emotionen zum Ziel gehabt oder das Thema Emotion wäre der Anlass für ihre Betrachtung gewesen. Ich finde die Auffassung unbefriedigend, nach der die expressiveren Figurenportale des 13. Jahrhunderts darauf abzielten, die Betrachter zum Verstehen der Emotionen zu bewegen, die durch diese hervorgeru- fen wurden.27 Dieses Verkehren von Mittel und Ziel legt zu viel Gewicht auf per- sönliche und damit instabile subjektive Reaktionen. Ganz im Gegenteil: Nicht die emotionale Reaktion oder Reflexion war das gewünschte Ergebnis (Ziel), sondern vielmehr ein gefestigter Glaube, Urteilsvermögen und rechtes Verhalten, was durch die emotionale Reaktion mit ausgelöst wurde. Eine wichtige Frage innerhalb dieses Gleichgewichts aus Mittel und Ziel ist, wie bildliche Darstellungen jeder Art, sei es in Skulptur oder Malerei, dem Überzeugungsziel dienten. Im 12. und 13. Jahrhundert wurde, darin besteht allgemeiner Konsens, die kirch- liche Kunst in den Dienst der immer nachdrücklicher zutage tretenden Mission der moralischen und religiösen Reform gestellt. Die Moraltheologie der Schulen Nordeuropas, vor allem von Paris, spielte hierbei eine entscheidende Rolle, ebenso die klösterlichen Anstrengungen um Reformierung sowie die neuen höfischen Sit- tenregeln.28 Wie Forschungen zur Ethik- und Theologiegeschichte, zur Geschichte 26 Carruthers, Experience of Beauty (wie Anm. 3), S. 13–15, 38, 42, 54. 27 Siehe dazu die durchweg lesenswerten Untersuchungen von Jacqueline E. Jung: Dy- namic Bodies and the Beholder’s Share: The Wise and Foolish Virgins of Magdeburg Cathedral. In: Kristin Marek et al. (Hg.): Bild und Körper im Mittelalter. München 2006, S. 135–160, 136–137: „to allow beholders to understand, through a dynamic process of empathetic engagement, the internal responses which that outcome engendered“; dies.: The Gothic Screen. Space, Sculpture, and Community in the Cathedrals of France and Germany, ca. 1200–1400. Cambridge 2013. 28 Jean-Claude Schmitt: La raison des gestes dans l’Occident médiéval. Paris 1990; C. Stephen Jaeger: The Envy of Angels. Cathedral Schools and Social Ideals in Medieval
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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Titel
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Autor
Christine Beier
Herausgeber
Michaela Schuller-Juckes
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21193-8
Abmessungen
18.5 x 27.8 cm
Seiten
290
Kategorien
Geschichte Chroniken
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