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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
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23 affEkt in dEr Gotik des höfischen Lebens und neuerdings auch zur Kunstgeschichte gezeigt haben, war die Aussöhnung von äußerer und innerer „Form“ ein zentrales Anliegen. Dies ge- schah durch imitatio. Zivilisationshistoriker haben als Grundlage der Gesetzmäßig- keiten von moralischer Kunstfertigkeit und Erziehung die antike Vorstellung von Nachdenken und Nacheifern (mimēsis, zēlos) zur Bildung des Charakters (ethos) he- rausgearbeitet. Nach der antiken und mittelalterlichen Lehre war das Äußere einer Person ein Spiegel- oder Abbild des Inneren, aber auch das Innere konnte durch die Übernahme richtig gestalteter Ideen, Praktiken oder anderer Dinge, die es nachbil- dete, geregelt werden. Maßgeblich für diesen in zwei Richtungen verlaufenden Pro- zess war die Vorstellung, dass eine Selbstregulierung kulturell determiniert, lehrbar, kodifiziert und artifiziell sei. Die Geschichte der Darstellung von Emotionen sollte nicht verwechselt werden mit einer naturalistischen Theorie der Emotionen, die in ihnen etwas Spontanes sieht.29 Interessanterweise bezieht sich das früheste objektive Zeugnis für die gotische Kunst als Träger von moralitas auf Skulpturen und nicht auf Malerei. Es stammt von einem englischen Grammatiker, der im Paris der Mitte des 13. Jahrhunderts wirkte, nämlich von Johannes de Garlandia (Johannes Anglicus), und findet sich in seinem Morale scolarium, de facto einer Art Moralcodex für Schüler. In seinem 30. Kapitel wiederholt er die Normen für ordentliches Klerikerverhalten und schlägt ein Beispiel dafür vor: Templi sculpturas morum dic esse figuras Vivas picturas in te gere non perituras Von den Skulpturen der Kirchen sage, dass sie Bilder der Sitten sind; in dir trage lebendige Gemälde statt solche, die zerstörbar sind.30 Das erinnert uns daran, dass drei- und zweidimensionale Bilder bis hin zu Siegelab- drücken als Vermittler ethischer Anleitungen durch Imitation angesehen wurden, und zwar von Lehrern des 12. Jahrhunderts wie Hugo von St. Victor (De instituti- one novitiorum) und Alanus ab Insulis (Anticlaudianus).31 Die Vorstellung, dass in den Raum ausgreifende Werke der Bildhauerei Tugenden verkörperten, wurde im späten 13. Jahrhundert von Durandus in seinem Rationale zusammengefasst. Nach seinen Worten scheinen vorstehende Skulpturen aus den Wänden der Kirchen her- auszukommen, wie die Tugenden, die in die Gläubigen gleichsam eingepflanzt sind Europe, 950–1200. Philadelphia, PA 1994; Binski: Becket’s Crown (wie Anm. 16), mit einer Besprechung der Auswirkungen dieses Phänomens auf die bildenden Künste. 29 Rosenwein, Worrying about Emotions in History (wie Anm. 2), S. 834–837. 30 Morale Scolarium of John of Garland, hg. von Louis John Paetow. In: Memoirs of the University of California 4 (1927), S. 69–273, 243–244; Iohannes de Garlandia: Carmen de Misteriis Ecclesie, hg. von Ewald Könsgen / Peter Dinter. Leiden 2004 (Mittellateini- sche Studien und Texte 32), S. 6: Quid significat porta ecclesia: Ecclesie porta Ihesus est, qui sidera pandit; Suppositos aliis doctores dico columpnas Templi sculpturas morum dic esse figuras Vivas picturas animarum non perituras 31 Jaeger, The Envy of Angels (wie Anm. 28), S. 258–259, 284–286.
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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Titel
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Autor
Christine Beier
Herausgeber
Michaela Schuller-Juckes
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21193-8
Abmessungen
18.5 x 27.8 cm
Seiten
290
Kategorien
Geschichte Chroniken
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