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michaEl Viktor schwarz
esse der Gelehrten an jeder sein Leben und Werk betreffenden Einzelheit wird die
Bezugnahme auf das Mosaik nur selten vermerkt.16
Zur Entstehung des großen Weltgerichts an der Kuppel des Florentiner Bap-
tisteriums, zu dem die Höllenszenerie mit der Luzifer-Figur gehört, gibt es zwei
Versionen (Abb. 2). Laut der einen handelt sich um eine ab der Mitte des 13. Jahr-
hunderts entstandene Gemeinschaftsarbeit von einigen sonst als Hersteller von Ta-
felbildern greifbaren Florentiner Malern (der am besten dokumentierte ist Coppo
di Marcovaldo).17 Diese Annahme ignoriert die im Raum stehende Frage, woher
das gerade auch im 13. Jahrhundert seltene technische know how für die Herstellung
von Mosaik kam. Die andere Version bezieht eine lange Inschrift im Mosaik des
Chorgewölbes mit auf das Hauptbild der Kuppel.18 Der Text, der wegen des darin
enthaltenen Herrscherlobs auf Kaiser Friedrich II. aus der ghibellinischen Phase der
Florentiner Politik (1238‒50) stammen muss, sagt von einem am 12. Mai 1225 be-
gonnenen Werk, es sei von Jacobus, „dem besten von allen in dieser Kunst“ (in tali
prae cunctis arte probatus) vollbracht worden.19 Die Mosaizierung kann 1225 nur am
Scheitel der oktogonalen Kuppel begonnen worden sein, wo die der Pantokrator
mit den Engelschören dargestellt ist. Für das auf den drei westlichen Kuppelkappen
darunter folgende Haupt- und Mittelstück des Projekts, das Jüngste Gericht, sind
damit die dreißiger und frühen bis mittleren vierziger Jahre als Entstehungszeit
plausibel.20 Einen sicheren terminus post quem für die Fertigstellung des Bildes lie-
16 Vgl. L’arte a Firenze nell’età di Dante 1250–1300, hg. von Angelo Tartuferi / Mario Sca-
lini, Florenz 2004: Eigenartig und bezeichnend, dass sich die Verantwortlichen von Aus-
stellung und Katalog den Zusammenhang entgehen ließen.
17 Zuletzt in geradliniger Fortsetzung älterer Florentiner Beiträge (Longhi, Salmi, Rag-
ghianti): Miklós Boskovits: The Mosaics of the Baptistery of Florence (A Critical and
Historical Corpus of Florentine Painting, Section 1, Vol. 2), Florenz 2007.
18 Schwarz, Die Mosaiken (zit. Anm. 5), S. 19–55.
19 Ebd., S. 25–27, 152. Nicht ganz richtig wiedergegeben ist meine Argumentation bei: Al-
bert Dietl: Die Sprache der Signatur. Die mittelalterlichen Künstlerinschriften Italiens.
2 Bde., München / Berlin 2008, Nr. 232.
20 Ohne allerdings die Inschrift zu berücksichtigen, datierte schon Viktor Lazarev in einem
Aufsatz über ein nach Moskau gelangtes Florentiner Marienbild die Engelschöre und
das Weltgericht ins zweite Viertel des Duecento: Viktor Lazarev: Un nuovo capolavoro
Abb. 2: Weltgericht, wie Abb. 1
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
- Titel
- Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
- Autor
- Christine Beier
- Herausgeber
- Michaela Schuller-Juckes
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21193-8
- Abmessungen
- 18.5 x 27.8 cm
- Seiten
- 290
- Kategorien
- Geschichte Chroniken