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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
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Seite - 81 - in Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert

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81 das wEinGartEnEr BErthold-sakramEntar Erwartungsgemäß ist weder in der Verteilung der Techniken noch in der Größe des für den Grundkörper ausgesparten Schriftraums eine durchgängige Systematik zu er- kennen: Im Gegenteil häufen sich etwa zwei- oder vierzeilige Aussparungen, und auch die Techniken treten eher lagenweise gehäuft als systematisch auf. Die Frage nach einer etwaigen „Historisierung“ ist an sich kein Gliederungskriterium, denn sogar in den Fleuronnée-Initialen (fol. 100r) und den Rankeninitialen (foll. 40v, 71v, 104v) tauchen figürliche Elemente auf, wogegen höchstrangige Initialen rein ornamental sein können.33 Hier ist wie so oft die Frage nach der Systematik eine moderne. Da- gegen lässt sich eine gut nachvollziehbare Händescheidung beobachten. Sauer ordnet den Zeichner der Ranken- und Fleuronnée-Initialen dem Weingartener Skriptorium zu.34 Die auf wenige Seiten beschränkten Silhouetteninitialen gibt sie einer anderen Hand und schließt deren Identität mit dem Hauptmaler der Miniaturen nicht aus.35 Dieser war ein Künstler, dessen Rang durch den kunsthistorischen Notna- men „Bertholdmeister“ deutlich gemacht wird, und über den Hanns Swarzenski schreibt: „In [the Berthold Missal] we encounter an artistic force, suddenly un- leashed, which it is impossible to derive from local Weingarten tradition, but which must be accepted as having been produced by an extraordinary creative personality intruding suddenly upon the local course of development.“36 Maßgeblich ist ein durchweg außerordentlich dynamischer und expressiver Ein- druck. Dies beginnt bei den stechenden Blicken, die durch seitlich verschobene Pu- pillen entstehen und vor allem in den Profilgesichtern durch betonte Augenbrau- en-Aktion noch verstärkt werden (Abb. 1), und setzt sich in den teilweise extrem tordierten Haltungen, überkreuzten Armen und komplexen Stellungen der Figuren zueinander fort. Sowohl der Figuren- und Gewandstil als auch einige Kompositi- onen verraten starken byzantinischen Einfluss, und zwar vorwiegend den älterer Handschriften, vor allem aus der Zeit der sog. Makedonischen Renaissance.37 Ob dieser Rückgriff speziell auf ältere stilistische und ikonographische Vorlagen be- wusst erfolgte, lässt sich zwar nicht beantworten, es ist aber nicht ausgeschlossen. Die großen Initialen und -zierseiten sind mit hochvirtuos ausgeführten Spiral- 33 Im Rahmen einer Faksimilierung muss freilich für die Einzelbeschreibung der Initialen eine Grenze gezogen werden, die bei Sauer nach der Technik (Deckfarbe, Gold/Silber), Größe (ab fünf Zeilen) sowie ausnahmsweise dem figürlichen Inhalt vorgenommen wird. Zu den verschiedenen Initialtechniken vgl. den Beitrag von Sauer in Rudolf, Ein Buch von Gold und Silber (zit. Anm. 1), mit Abb. 34 Sauer in: Das Berthold-Sakramentar 2013–2014 (zit. Anm. 10), Bd. 2, S. 97–104; Spilling sieht in ihm auch den Schreiber der Kalendar-Zierschriften, vgl. Herrad Spilling: Abt Bertholds Bücherverzeichnis – Anhaltspunkt zur Datierung seines Sakramentars. In: Das Berthold-Sakramentar 1999 (zit. Anm. 10), S. 88–89. 35 Sauer in: Das Berthold-Sakramentar 2013–2014 (zit. Anm. 10), Bd. 2, S. 105. 36 Swarzenski, The Berthold Missal (zit. Anm. 10), S. 90. 37 Hintergründe und Personengruppen weisen Parallelen zur Leobibel und dem Pariser Psalter auf, beide aus der Mitte des 10. Jahrhunderts (Biblioteca Apostolica Vaticana, Reg. gr. 1; Bibliothèque nationale de France, gr. 139). Für die hintereinandergereihten, schmerzverzerrten Gesichter und Gesten in der Marientod-Szene vgl. die spätere va- tikanische Himmelsleiter-Handschrift des Johannes Klimakos aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, zum Beispiel fol. 5r (Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. gr. 1754). Thomas Steppan (Innsbruck) bestätigte, dass gerade die Komposition der Koimesis auf ältere byzantinische Vorlagen verweist.
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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Titel
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Autor
Christine Beier
Herausgeber
Michaela Schuller-Juckes
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21193-8
Abmessungen
18.5 x 27.8 cm
Seiten
290
Kategorien
Geschichte Chroniken
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