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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
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90 christinE JakoBi-mirwald Fazit Gleich in mehrfacher Hinsicht – Buchtyp, Aufbau, Ausstattungsaufwand, Schrift, Einband, Pergament mit stilisierten Nähten – scheint das Berthold-Sakramentar die Herrlichkeit einer vergangenen Zeit heraufzubeschwören. Zwar befand sich das Kloster bereits auf dem Weg in den Niedergang, die Zeiten des Welfenpatronats waren zu Ende, die Zukunft unter den Staufern ungewiss. Abt Berthold lag jedoch daran, sich der eigenen Vergangenheit zu versichern, und er tat dies in einer Wei- se, die sowohl ihn selbst als auch die von ihm in Auftrag gegebenen Werke sehr profiliert darstellt. Die Tendenz zur Archaisierung ist typisch für Prachtcodices des frühen 13. Jahrhunderts (vgl. zum Beispiel das Missale Rossianus 181), in dieser Konsequenz und auf diesem ausstatterischen und künstlerischen Niveau im Ber- thold-Sakramentar aber einzigartig. Zumal es als einziges einen Buchtyp vertritt, der in seiner liturgischen Form überholt war. Entsprechend fallen die Benutzungs- spuren aus – in zweifachem Wortsinn. Die Frage, die sich jetzt zwangsläufig stellt, ist die: Gehört auch der extrem charakteristische, singuläre Stil des Bertholdmeisters in diesen Zusammenhang? Es handelt sich dabei, dies sei noch einmal in Erinnerung gerufen, um einen Stil, der sich bislang den Versuchen der Herleitung hartnäckig widersetzt hat. So eindeutig sein Fortleben innerhalb des Weingartener Skriptoriums belegbar ist, so unmöglich scheint es, die Herkunft des Malers und seiner Formsprache dingfest zu machen. Nach allem bisher Gesagten ist gut vorstellbar, dass dieser Stil deshalb nicht her- zuleiten ist, weil wir ihn aus unserem heutigen Blickwinkel sehen. Wir empfinden die stechenden Blicke, die Psychologisierung von Mimik und Gestik, die Torsionen und Windungen als fortschrittlich, geradezu modern. Aber wollten und sollten sie das sein – oder war es nicht eine archaisierende Absicht, die den Maler auf wohlge- merkt ältere byzantinische Vorlagen verwies, ihn die „modischen“ Channel-Style- Ranken ins Hieratische steigern und verschwenderische Gold- und Silbergründe zu emaille- und nielloartiger Pracht perfektionieren ließ? Nun war er, woher er auch immer kam, eindeutig ein Meister seiner Zunft, und derart vollkommene Werke üben häufig eine Art Sogwirkung aus, so dass dieser Stil, den man durchaus als retrospektiv interpretieren könnte, zugleich innerhalb des Skriptoriums zu einem Wegweiser wurde – und es dem Kunsthistoriker des 21. Jahrhunderts noch einmal schwerer macht, ihn nicht als „innovativ“ zu begreifen. Das Berthold-Sakramentar ist offenbar in kalkulierter Absicht und mit einer Prachtentfaltung, die wahrlich an die spätbarocke Klosterherrlichkeit vor der Sä- kularisierung gemahnt, aus der Zeit gefallen. Dass es für uns heutige Betrachter zumindest stilistisch in eine andere Richtung gefallen zu sein scheint, als es – nach der hier vorgeschlagenen Lesart – der Maler, vermutlich gemäß Weisung seines Auftraggebers Abt Berthold, beabsichtigt hat, konnten die beiden nicht ahnen. Vielleicht hätte es sie ja amüsiert. Bildrechte: Abb. 1–7 Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien, Fotosammlung; Abb. 8–12 Admont, Benediktinerstift.
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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Titel
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Autor
Christine Beier
Herausgeber
Michaela Schuller-Juckes
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21193-8
Abmessungen
18.5 x 27.8 cm
Seiten
290
Kategorien
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