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daVid Ganz
Neben dem Verzicht auf Körperhaftigkeit ist als weitere Differenz die starke
Einschränkung der Schmuckfunktion anzusprechen. In den vorgestanzten Or-
namentleisten, welche die Ränder abdecken, ist sie auf ein Minimum reduziert,
während bei den glatten, in unregelmäßigen Abständen auf dem Buchdeckel fest-
genagelten Binnenrahmen gleich ganz auf sie verzichtet wurde. Reich geschmückt
war das Buch nur durch den seidenen Überzug des Rückens und der Schließen, in
gewissem Sinne auch durch die ornamentale Schnittbemalung, die heute nur noch
schemenhaft erkennbar ist.33 Was den Vorder- und den Rückdeckel angeht, wurde
dieser Einband nicht als „Ornat“ des Buches entworfen wie die liturgischen Pracht-
einbände.34 Positiv schlägt dies in einer Maximierung der Malfläche zu Buche: Vom
Schmuckträger wurde der Einband zum Bildträger.
Wo Figuren aus Elfenbein, Gold oder Email stets eine gewisse Distanz einfor-
dern, laden die farbig ausgeführten Bilder des Psalters zu einer direkten Zwiespra-
che mit den dargestellten Personen. In diesem Zusammenhang müssen wir auf die
bisher von uns ausgeklammerten Bilder in den Ecken kommen, deren Originalität
in der Literatur zum Bamberger Psalter nicht angemessen herausgestellt wurde:
Weder auf der Vorder- noch auf der Rückseite nämlich ist eine der naheliegenden
Varianten zu sehen, die Zwickel mit Autoritäten der heiligen Schrift zu füllen: Für
den Vorderdeckel hätten sich die Evangelisten an ihren Schreibpulten angeboten,
für den Rückdeckel die vier großen Propheten. Ausgewählt wurden stattdessen vier
Engelsfiguren und vier Repräsentanten des Alten Testaments, in Gruppierungen,
die alles andere als kanonisch sind. Wie wir gleich noch sehen werden, haben diese
Bilder mit Praktiken des Gebets zu tun, für die das Psalterbuch bestimmt war.
Christus zwischen Engeln: Der Vorderdeckel
Schauen wir uns die Figuren in den Eckfeldern aber erst einmal etwas genauer
an und beginnen dazu mit dem Vorderdeckel (Abb. 3): Die mit drei Flügelpaaren
ausgestatteten Engel in den oberen Feldern zählen zu den höchsten Kategorien der
Seraphim und Cherubim – aufgrund des bunten Dreiklangs ihrer Deckfedern wird
man sie eher den letzteren zurechnen als den stark auf Rot festgelegten Seraphim.
Unten stehen zwei Erzengel, links Michael in elegant geschwungener Drachentö-
terpose, rechts eine Figur, die mit Hoheitszeichen (Globus und Zepter) ausgestattet
ist und die sich durch die grünen Blattformen der Zepterkrone als der Verkündi-
gungsbote Gabriel zu erkennen gibt.35
Die Füllung der Eckfelder mit Engeln verlegt den gesamten Bildverbund des
Deckels umfassend in die Sphäre des Himmels: Der auf einem Regenbogenthron
in der Mandorla sitzende Christus ist der Herr der himmlischen Heerscharen. Für
solche Erscheinungen Gottes inmitten von Engeln gibt es prominente biblische
Anknüpfungspunkte: Etwa die Berufungsvision Ezechiels, bei der Gott über den
33 Zur Schnittbemalung als charakteristischer Ergänzung von Hornplatteneinbänden vgl.
Engelhart, Der Hornplatteneinband (zit. Anm. 10), S. 443–444.
34 Vgl. Ganz, Buch-Gewänder (zit. Anm. 1), S. 52–58.
35 Für den runden Gegenstand in Gabriels Hand wurde auch die Lesart „Flasche“ vorge-
schlagen. Die Identifizierung als Zepter wird durch die Analogie mit der Salomo-Figur
des Rückdeckels gestützt.
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
- Titel
- Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
- Autor
- Christine Beier
- Herausgeber
- Michaela Schuller-Juckes
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21193-8
- Abmessungen
- 18.5 x 27.8 cm
- Seiten
- 290
- Kategorien
- Geschichte Chroniken