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1. Anerkennung zwischen Widersprüchen
In den letzten Jahren hat sich die öffentliche Diskussion um Zuwanderung
in Europa deutlich verändert. Aufgrund der gestiegenen Anzahl an Men-
schen, die auch in europäischen Ländern Schutz suchen, gewinnt der Be-
griff der Anerkennung an Bedeutung. Mit Anerkennung wird zunächst
das Ergebnis eines rechtlichen Asylverfahrens verbunden. Nach dem »Ab-
kommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge« (Genfer Flüchtlingskon-
vention – GFK) von 1951 wird eine Person als Flüchtling anerkannt, wenn sie
aufgrund bestimmter Merkmale (z.B. Nationalität, politische Überzeugung)
verfolgt wird und ihr Herkunftsland verlassen musste (Art. 1 GFK). Nach
der GFK anerkannt zu werden führt zu Schutz und sozialen Rechten. An-
erkennung steht jedoch auch für ein Machtverhältnis und den Ausdruck
einer politischen Positionierung insbesondere innerhalb Europas, sie findet
damit »unter dem Einfluss gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer
Widersprüche« (Borst 2003, S. 98) statt. Benhabib bezeichnet die Frage, in-
wiefern Anerkennung eine moralische Verpflichtung oder einen einklagba-
ren Anspruch darstellt, als die »Ambivalenz von Recht und Moral, unter der
die Debatten über Asyl- und Flüchtlingsrechte heute leiden« (Benhabib 2008,
S.
39). Auf Ebene der Nationalstaaten wird dadurch ein offener Widerspruch
zwischen der Anerkennung des Rechts auf Asyl als universelles Menschen-
recht und der Wahrung territorialer Souveränität deutlich (vgl. ebd., S. 14).
Eine kritische wissenschaftliche Perspektive auf die vielfach idealisierte Ka-
tegorie der Anerkennung muss damit auch berücksichtigen, dass Anerken-
nung »in der Regulierung und (Re-)Produktion von Machtverhältnissen eine
bedeutsame und überaus generelle Rolle zukommt« (Balzer 2014, S. 23). Ins-
besondere im Migrationskontext bietet der »Blickwinkel der Verteilung von
Anerkennung« (Sprung 2011, S. 109) die Möglichkeit, die Spannungsfelder
und Widersprüche zwischen individueller und struktureller Ebene zu re-
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Titel
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Untertitel
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Autor
- Birgit Schmidtke
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 252
- Schlagwörter
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Kategorie
- Recht und Politik