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3. Theoretischer Analyserahmen 71
diese Anerkennungsform an die tatsächliche Existenz einer anderen Person
gebunden, die dem Subjekt Gefühle besonderer Wertschätzung entgegen-
bringt. Mit Hilfe der Theorie der Objektbeziehung beschreibt Honneth das
Anerkennungsverhältnis als eine Balance zwischen Selbständigkeit und Bin-
dung. Unabhängigkeit wird dabei nur in Verbindung mit dem Vertrauen in
die Kontinuität der Beziehung ermöglicht. Anerkennung bezieht sich hier
also auf den doppelten Vorgang der gleichzeitigen Freigabe und emotionalen
Bindung. Entscheidend für die vorliegende Arbeit ist hierbei, dass die emo-
tionale Anerkennung nach Honneth sich damit nicht auf eine professionelle
Beratungsbeziehung übertragen lässt, weil sie unter anderem auf eine kon-
tinuierliche Bindung angewiesen ist (vgl. ebd., S. 153ff.).
Dem gleichen Mechanismus einer reziproken Anerkennung folgt die
Anerkennungsdimension des Rechts. Demnach kann das Subjekt zu einem
Verständnis von sich selbst als Träger_in von Rechten nur gelangen, wenn
es umgekehrt Wissen über die Verpflichtungen gegenüber anderen Perso-
nen besitzt. Voraussetzung hierfür ist die Entwicklung einer normativen
Perspektive des »generalisierten Anderen« (ebd., S. 174). Im Unterschied
zur emotionalen Anerkennung geht es hier um eine ausschließlich kogniti-
ve Leistung des Subjekts. Die Anerkennung als gegenseitige Rechtssubjekte
erfolgt in Bezug auf die Fähigkeiten des Einzelnen, über moralische Nor-
men vernünftig und eigenständig entscheiden zu können. Im Unterschied
zu traditionsgebundenen Rechtsverhältnissen bezieht sich diese Anerken-
nungsform bei Honneth auf ein universalistisches Begründungsprinzip und
nicht auf eine gesellschaftliche Position. Damit ist zugleich der Unterschied
zur dritten Anerkennungsdimension der Solidarität markiert. Rechtliche
Anerkennung ist möglich, ohne den konkreten anderen in seinen Leistun-
gen oder seinem Charakter wertschätzen zu müssen. Die Anerkennung als
Rechtssubjekte umfasst dabei nicht nur den rechtlichen Schutz vor Eingrif-
fen in die Privatsphäre, sondern auch die rechtlich gesicherten Chancen zur
politischen Partizipation. Die Frage nach der Eingrenzung der Personen,
auf welche diese Form der Anerkennung bezogen wird, begründet einen Ort
für den Kampf um Anerkennung (vgl. ebd., S. 173ff.).
Die dritte Anerkennungsdimension der Solidarität ermöglicht es dem
Subjekt, sich durch soziale Wertschätzung positiv auf die eigenen individu-
ellen Eigenschaften und Fähigkeiten im Unterschied zu anderen Personen
zu beziehen. Die Bezeichnung der Solidarität ergibt sich dadurch, dass es
sich auch bei dieser Anerkennungsform um einen Mechanismus der sym-
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Titel
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Untertitel
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Autor
- Birgit Schmidtke
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 252
- Schlagwörter
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Kategorie
- Recht und Politik