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Bildungs- und Berufsberatung in der
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metrischen Wertschätzung handelt. Jedes Mitglied einer Gesellschaft soll
die Chance erhalten, sich aufgrund der individuellen Leistungen und Fähig-
keiten als wertvoll für die Gesellschaft zu erfahren und dementsprechend in
der Lage sein, sich selbst wertzuschätzen. Im Unterschied zur rechtlichen
Anerkennung wird wie bereits beschrieben soziale Wertschätzung jedoch
für unterschiedliche Leistungen erbracht. Voraussetzung hierfür ist ein ge-
teilter Orientierungsrahmen von gesellschaftlich definierten Werten und
Zielen. Honneth zeichnet die Entwicklung dieses Bezugssystems von kollek-
tiven Formen der Anerkennung in ständisch organisierten Gesellschaften
zu einer individualisierten Anerkennungsform in modernen Gesellschaften
nach. Der darin strukturell begründete Konflikt liegt in der Bestimmung
dieses allgemeinen Wertehorizonts als einerseits offen für verschiedene For-
men der Selbstverwirklichung und gleichzeitig als ein verbindliches Orien-
tierungssystem (vgl. ebd., S. 196ff.).
Erweiterung um die Dimension der »kulturellen Anerkennung«
In Anlehnung an Honneth zeichnet sich soziale Wertschätzung bei Stojanov
(vgl. 2006) durch die Anerkennung der Fähigkeiten einer Person aus, wel-
che gesamtgesellschaftliche Relevanz aufweisen. Von besonderem Interesse
ist hier seine Erweiterung der sozialen Wertschätzung um die Dimension
der »kulturellen Anerkennung« (ebd., S. 164). Er bezieht sich hierzu kritisch
auf den Ansatz einer »Pädagogik der Vielfalt« (vgl. Prengel 2006), wonach
soziale Wertschätzung auf die Anerkennung unterschiedlicher kultureller
Zugehörigkeiten bezogen wird. Stojanov hebt in Abgrenzung dazu hervor,
dass nicht die Zugehörigkeit zu einer kulturellen Gemeinschaft entschei-
dend für soziale Wertschätzung ist, sondern die Artikulation und Reflexion
dieser kulturellen Zugehörigkeit als wertvollen Beitrag für die Gesellschaft.
Gegenstand der Anerkennung ist demnach nicht die Unterschiedlichkeit
der Subjekte, sondern sind die individuellen Selbstverwirklichungsprozes-
se, welche sich innerhalb von Anerkennungsverhältnissen vollziehen. Diese
Entwicklung kann nach Stojanov in Bildungsprozessen unterstützt werden,
wozu er den Begriff der »kulturell-biographischen Anerkennung« (Stojanov
2006, S. 163) prägt. Im schulischen Kontext sieht er diese Anerkennungs-
form in der Empathie der Lehrer_innen gegenüber den individuellen Erfah-
rungen der Schüler_innen in Verbindung mit moralischem Respekt für die
gesellschaftlich wertvollen Fähigkeiten auf der Grundlage der Antizipation
möglicher Selbstverwirklichungsprozesse (vgl. ebd., S. 163ff.).
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Titel
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Untertitel
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Autor
- Birgit Schmidtke
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 252
- Schlagwörter
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Kategorie
- Recht und Politik