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3. Theoretischer Analyserahmen 81
kann daher zunächst nicht direkt auf die gesetzliche Anerkennungspraxis
Einfluss genommen werden; es können jedoch förderliche Voraussetzungen
hierfür geschaffen werden. Dazu gehören vor allem die Aufgaben der Infor-
mationsbeschaffung und -vermittlung. Darüber hinaus ist es den Berater_
innen im begrenzten Umfang möglich, auf die rechtskonforme Umsetzung
von Anerkennungsverfahren einzuwirken, indem sie den Anerkennungs-
prozess begleiten. Zudem kann die fachliche Expertise der Beratungsstellen
auch in politische Entscheidungsprozesse zur Regelung von Anerkennungs-
verfahren mit einfließen. In der Analyse der empirischen Daten wird da-
her in der vorliegenden Arbeit auf der rechtlichen Ebene der Fokus darauf
gerichtet, inwiefern Anerkennungsberatung die Herstellung formaler An-
erkennung auch indirekt auf unterschiedliche Weise unterstützen kann.
Positionale Anerkennung auf gesellschaftlicher Ebene
Nach Honneth (vgl. 2014) ist die dritte Anerkennungsdimension der Solida-
rität dadurch gekennzeichnet, dass jedes Gesellschaftsmitglied die Chance
hat, sich selbst entsprechend der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen in
die Gesellschaft einzubringen und diese Fähigkeiten als wertvoll für die Ge-
meinschaft zu erleben. Bei Sprung (vgl. 2011) wird aus den geführten Inter-
views mit Migrant_innen, die im Herkunftsland bereits berufstätig waren,
deutlich, dass bei fehlender formaler Anerkennung von im Ausland erwor-
benen Qualifikationen auch die Möglichkeiten reduziert werden, berufliche
Erfahrungen und Kompetenzen gesellschaftlich sichtbar zu machen. Dies
trifft ebenfalls auf Bereiche des Arbeitsmarktes zu, in denen eine formale
Anerkennung nicht zwangsläufig notwendig oder möglich ist. Die dritte
Analysedimension der gesellschaftlichen Ebene lässt sich also analytisch als
eigener Bereich von der rechtlichen Ebene abtrennen. Honneth bezeichnet
den zugehörigen Anerkennungsmodus als soziale Wertschätzung. Zur Ver-
meidung einer begrifflichen Überschneidung mit der »wertschätzenden
Haltung« als Merkmal einer positiven Beratungsbeziehung wird hier auf den
Begriff der positionalen Anerkennung nach der Theorie der sozialen Des-
integration (vgl. Helsper et al. 2005) zurückgegriffen. Damit wird zudem
verdeutlicht, dass es um die gesellschaftliche Sichtbarkeit der individuellen
Fähigkeiten und Kompetenzen geht und damit um die Möglichkeit, sich ge-
sellschaftlich zu positionieren. Eine Voraussetzung hierfür ist, wie bereits
beschrieben, der gleichberechtigte Zugang zu gesellschaftlichen Teilsyste-
men wie dem Arbeitsmarkt und dem Bildungssystem.
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Titel
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Untertitel
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Autor
- Birgit Schmidtke
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 252
- Schlagwörter
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Kategorie
- Recht und Politik