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sich der Umgang mit diesen Informationen in der Beratung. In der Beschrei-
bung von Fallbeispielen wird in den Interviews wiederholt die Emotionalität
bei der Informations- und Wissensvermittlung in diesem Feld deutlich.
»Ich nehme immer diesen Fall, weil mir das wirklich in Erinnerung geblieben
ist. Das war so eine Frau aus Slowenien […]. Jetzt stellen Sie sich vor, was für
eine Person das ist, mit so viel Erfahrung, mit Ausbildung, mit beruflicher
Erfahrung, mit fünf Sprachen. In Österreich, wir wissen ganz genau, was da
jetzt im Gesundheitsbereich passiert, in Krankenhäusern und so weiter auf-
grund von fehlenden Sprachkenntnissen, Krankenschwester ist ja Mangel-
beruf sowieso. Und die kommt zu mir, und dann sag ich, schauen wir uns das
genauer an, ich brauche jetzt die ganzen Unterlagen, Diplom, das hat sie eh
natürlich alles mitgehabt, und dann stellen wir fest, dass aufgrund dessen
[…], dass ihre Berufsbezeichnung Gesundheitstechnikerin ist, gibt es keine
Möglichkeit, also diese Zulassung als Krankenschwester, sondern nur als
Pflegehelferin […]. Dann habe ich ihr das mitgeteilt […]. Dann hat sie gesagt,
das kann nicht sein, das gibt es nicht, ja das will ich nicht, das ist so beleidi-
gend für mich, hat sie gesagt. Das ist nachvollziehbar. Dann hat sie gesagt, na,
wissen Sie was, ich gehe lieber jetzt putzen, als als Pflegehelferin zu arbeiten.
So war das erste Gespräch und die erste Beratung […]. Das ist mir so in Erin-
nerung geblieben, dass ich über den Fall immer wieder spreche, weil das ist,
das widerspricht sich total mit der ganzen beruflichen Erfahrung, was hier
niemand so berücksichtigt, und das ist, denke ich manchmal viel wichtiger
als ein Stück Papier, wo dann steht: ›abgeschlossen‹« (H/AT, Z. 244-284).
Die rechtlichen Regelungen werden hier als Widerspruch zu der beruflichen
Qualifikation als Krankenschwester mit mehreren Zusatzausbildungen und
langjähriger Berufserfahrung gesehen. Die interviewte Person interpretiert
die Situation der Klientin als Auswirkung strukturell bedingter Benach-
teiligung auf individueller Ebene. Die Reaktion der Klientin wird daher als
»nachvollziehbar« beschrieben. Die Beratung ist demnach von einem Wider-
spruch zwischen dem beruflichen Selbstverständnis einer anerkennenden
und wertschätzenden Haltung und den restriktiven rechtlichen Rahmen-
bedingungen geprägt. Dieser Widerspruch betrifft in der Anerkennungs-
beratung nicht nur die gesetzlichen Vorgaben zur Anerkennung im Ausland
erworbener Qualifikationen, sondern auch die zeitlichen und inhaltlichen
Bedingungen von Anerkennungsverfahren sowie die dafür notwendigen fi-
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Titel
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Untertitel
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Autor
- Birgit Schmidtke
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 252
- Schlagwörter
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Kategorie
- Recht und Politik