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6 Umweltinformationssysteme & -management
Eine Bewertung von öffentlichen Gütern und Umweltbeeinträchtigungen ist notwen-
dig, um gesellschaftliche Entscheidungen treffen zu können (siehe Fallbeispiel 6.1.2).
Dies ist in der Praxis mit hohen Unsicherheiten und ethischen Problemen behaftet,
da notgedrungen die Bewertung von menschlichem Leben, von Biodiversität oder
von zukünftiger Lebensqualität in solche Modelle einfließen muss.
Fallbeispiel 6.1.2: Kosten und Emissionen der Energiewende in Deutschland und
Österreich
Das UBRM-Studium beschäftigt sich in vielen Fällen mit der Frage, wie wir unsere natürlichen Res-
sourcen nachhaltig bewirtschaften können. Dies ist eine typische normative ökonomische Frage-
stellung. Im diesem Beispiel untersuchen wir, mit welchen Kosten und welchen CO2-Emissionen die
Energiewende in Deutschland verbunden ist. In ökonomischen Modellen gibt es verschiedene Mög-
lichkeiten, die Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivität auf die Umwelt miteinzubeziehen. Erstens kann die
Optimierung von Wirtschaftssystemen die monetarisierten Umweltschäden und Verschmutzungs-
vermeidungskosten berücksichtigen. Als zweite Möglichkeit kann die Umweltverschmutzung mit
maximalen Limits beschränkt werden, in unserem Beispiel also die maximal erlaubten Treibhausgas-
emissionen im Stromsystem. Wir setzen das Limit für Treibhausgasemissionen im Stromsystem auf
jenen Wert für das Jahr 2030, der die Erreichung des „1,5 °C“-Ziels als realistisch erscheinen lässt
(lineare Reduktionen der Treibhausgasemissionen im Stromsektor auf null von heute bis 2050).
Schließlich kann auch eine Mehrzieloptimierung vorgenommen werden: Anstatt eine einzelne, optimale
Lösung zu bestimmen, wird die gewichtete Summe mehrerer alternativer Indikatoren, in diesem Fall
Emissionen sowie Brennstoff- und Kapitalkosten des Systems, minimiert. Werden diese Gewichte
verändert, ergeben sich unterschiedliche Lösungen, die den Trade-off zwischen den beiden Zielen
anzeigen und so eine Entscheidungsgrundlage bieten.
In unserem Beispiel verwenden wir das Strommarktmodell medea (Wehrle und Schmidt 2018). Das
Modell minimiert die Kosten der Bereitstellung von Strom in Deutschland und Österreich unter Be-
rücksichtigung der Variabilität von Nachfrage und erneuerbarem Angebot – und das auf stündlicher
Basis. Das Modell entscheidet sich für Investitionen in neue Technologien (z.B. Windkraft und Photo-
voltaik), wenn beispielsweise der Preis für CO2-Emissionen erhöht wird. Damit können Kosten und
CO2-Emissionen von unterschiedlichen Varianten der Energiewende einfach berechnet werden. Medea
verwendet umfangreiche Umweltdaten: Zur Modellierung des Ausbaus erneuerbarer Energien werden
Klimadaten (Windgeschwindigkeiten und solare Strahlung) verwendet. Außerdem werden im Modell
die CO2-Emissionen, die in der thermischen Stromproduktion (z.B. Gas- und Kohlekraftwerke) ent-
stehen, gegen Umweltdaten, die in den nationalen Treibhausgasbilanzen veröffentlicht werden, validiert.
Abbildung 6.1.5 zeigt die Resultate von Szenarienrechnungen, die sich an den diskutierten Möglich-
keiten einer Berücksichtigung von Umweltverschmutzung in ökonomischen Modellen orientieren. In
Szenario 1 fixieren wir den Emissionspreis auf 160 €/t CO2 (roter Punkt in der Graphik) – einem
2016 publizierten Wert für das Jahr 20301 (Nordhaus 2017). In Szenario 2 limitieren wir die
jährlichen CO2-Emissionen in der Stromproduktion auf 170 Mio. t CO2 (blauer Punkt in der Graphik) –
derzeit werden in Deutschland rund 280 Mio. t CO2 pro Jahr ausgestoßen. In Szenario 3 suchen wir
optimale Kombinationen aus Emissionspreis und CO2-Emissionen durch Mehrzieloptimierung
(schwarze Punkte durch Linie verbunden). Wird das Gewicht für die Emissionen erhöht, wird ein
Punkt optimal, der weniger Emissionen, aber höhere Kapital- und Brennstoffkosten vorweist.
Abbildung 6.1.5 zeigt also deutlich den Trade-off zwischen niedrigeren CO2-Emissionen im Strom-
system und den damit verbundenen Kosten.
Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Titel
- Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Autoren
- Erwin Schmid
- Tobias Pröll
- Verlag
- Springer Spektrum
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-662-60435-9
- Abmessungen
- 17.3 x 24.6 cm
- Seiten
- 288
- Schlagwörter
- Umweltmanagement, Bioressourcen, Nachhaltigkeit, Sustainability, Universität für Bodenkultur
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima