Seite - 39 - in WAS BITS UND BÄUME VERBINDET - Digitalisierung nachhaltig gestalten
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wie Industrie 4.0, die Digitalisierung von Wirtschaft
und Gesellschaft oder die erfolgreiche Umsetzung der
Energiewende dürfen nicht abgekoppelt von der Roh-
stoffversorgung betrachtet und diskutiert werden.»1
Die Debatte um Rohstoffe für Zukunftstechnolo-
gien darf jedoch nicht davon ablenken, dass – bezogen
auf die Importmengen – andere Rohstoffe wesent-
lich relevanter sind. Allein Eisen und Stahl machen
rund 90 Prozent der nach Deutschland importierten
Erze, Konzentrate und durch Raffination gewonnenen
Produkte aus. Zudem werden Kupfer und Aluminium
in großen Mengen von
der deutschen Industrie
verbraucht, auch für Pro-
dukte, die nicht als ‹nach-
haltig› und ‹innova
tiv› be-
zeichnet werden können.
Doch mit dem Verweis auf
‹Zukunftstechnologien›
bekommen die rohstoff-
politischen Forderungen der Industrie einen grünen,
smarten Anstrich.
Der Industrie geht es um ‹Versorgungssicherheit›:
Die Politik soll gewährleisten, dass die Unternehmen
an genügend Rohstoffe zu günstigen Preisen kommen.
Erst der Zugriff auf die Arbeitskräfte und natürlichen
Ressourcen andernorts ermöglicht das auf den Export
ausgerichtete Wirtschaftsmodell. Gestützt wird dies
durch die Wirtschafts-, Außen- und Handelspolitik
der Bundesregierung. Sogar mithilfe von Entwick-
lungspolitik können ‹wichtige Rahmenbedingungen
für ein investitionsfreundliches Klima geschaffen
werden, von dem auch die deutsche Wirtschaft pro-
fitieren kann›. So steht es in der Deutschen Rohstoff-
strategie aus dem Jahr 2010, an deren Überarbeitung
die Bundesregierung gerade arbeitet. Es geht um die
Absicherung der imperialen Lebensweise (vergleiche
den Beitrag von Vetter & Guenot).2
Statt einer Fortführung der bisherigen, andern-
orts zum Teil zerstörerischen Politik bedarf es einer
Politik der Rohstoffwende, um der Ausbeutung von Menschen, der Klimakatastrophe und der Umwelt-
zerstörung Einhalt zu gebieten. Die Digitalisierung,
erneuerbare Energien und Elektromobilität dürfen
nicht als Feigenblatt für den steigenden Rohstoffver-
brauch dienen. Eine einfache Verschiebung der Res-
sourcenbedarfe weg von fossilen und hin zu anderen
Rohstoffen löst das Ressourcenproblem nicht. Viel-
mehr muss diskutiert werden, in welcher Breite digi-
tale Technologien eingesetzt werden können, ohne
dass ökologische und soziale Grenzen an anderer
Stelle überschritten werden. In diesem Zusammen-
hang unterstützen wir die Forderungen von ‹Bits &
Bäume› sowie des Arbeitskreises (AK) Rohstoffe: ein
nachhaltiges, auf Sekundärrohstoffen basierendes
Produktdesign, eine umfassende Kreislaufwirtschaft,
Open Source, rohstoffarme Alternativen, Suffizienz
und ein stärkerer Fokus auf Ressourcenschonung.
Zudem müssen elektronische Produkte einfach zu
reparieren sein. Der absolute Rohstoffverbrauch in
Ländern wie Deutschland muss sinken, damit weni-
ger neue Minen eröffnet und somit ökologische und
soziale Risiken minimiert werden. Zudem müssen
die Rohstoffe, die wir in Zukunft noch nutzen wollen,
unter den bestmöglichen ökologischen und sozialen
Bedingungen gewonnen und verarbeitet werden. Die
Menschen- und Arbeitsrechte müssen geschützt
werden. Unternehmen, die Menschen- und Arbeits-
rechte verletzen oder die Umwelt zerstören, müssen
zur Rechenschaft gezogen werden.3, 4 Das muss auch
dann gelten, wenn sie entlang der Lieferkette nur
indirekt von diesen Bedingungen profitieren. Be-
troffene von Rechtsverletzungen müssen gegen die
Profiteure dieses Unrechts klagen können, auch in
Deutschland. Die Klage eines peruanischen Bauern
gegen RWE und die Klage der Familien der Hinter-
bliebenen gegen KiK geben Anlass zur Hoffnung auf
Veränderung. Die Rohstoffwende muss die globale
Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen. Denn ähn-
lich wie bei der Klimakatastrophe tragen bisher vor
allem jene die Kosten, die am wenigsten zu ihrer Ent-
stehung beitragen.
DIE AUTOR*INNEN
/// Merle Groneweg arbeitet bei PowerShift im Bereich Rohstoffpolitik.
/// Michael Reckordt arbeitet bei PowerShift als Koordinator des AK Rohstoffe. https://power-shift.de/language/de/
LITERATUR
/// 1 Bundesverband der Deutschen Industrie. Rohstoffversorgung 4.0: Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Rohstoffpolitik im Zeichen
der Digitalisierung (2017).
/// 2 Brand, U,. & Wissen M. Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus (oekom, 2017).
/// 3 Forderungen von ‹Bits & Bäume› https://bits-und-baeume.org/forderungen/de (2018).
/// 4 AK Rohstoffe. Positionspapier AK Rohstoffe. http://ak-rohstoffe.de/wp-content/uploads/2018/06/forderungspapier_2016.pdf (2016).
///<quote>
Die Digitalisierung
darf nicht als
Feigenblatt für den
steigenden Rohstoff-
verbrauch dienen.
///</quote>
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Titel
- WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
- Untertitel
- Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Autor
- Anja Höfner
- Herausgeber
- Vivian Frick
- Verlag
- oekom verlag
- Ort
- München
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-96238-149-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 152
- Schlagwörter
- Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
- Kategorien
- Informatik
- Technik