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der Absatzmarkt für digitale Technologien und
Dienstleistungen ist dort aufgrund der Kapital-
konzentration am größten.3 Einige Formulierungen
von IT-Unternehmen
zur Gestaltung einer
Smart City finden sich
sogar fast wortwört-
lich in den Strategie-
papieren von Stadtre-
gierungen wieder. So
greift beispielsweise
die Stadtregierung von
München Formulie-
rungen von Microsoft
auf. Weltweit empfehlen die Wirtschaftsprüfungs-
und Beratungsunternehmen Ernst & Young, Deloitte,
PwC, KPMG, McKinsey und Roland Berger die Aus-
lagerung öffentlicher Dienstleistungen und staat-
licher Kontrollfunktionen an IT-Unternehmen.4 Der
Ausbau digitaler Infrastrukturen in Großstädten ist
zudem gekennzeichnet durch eine Kanalisierung
staatlicher Investitionen in öffentlich-private Part-
nerschaften. Auf diese Weise werden öffentliche Auf-
gaben privatisiert, und es gehen bürgerschaftliche
Kontrollmöglichkeiten verloren.5
STÄDTE ERHALTEN EINE DIGITALE HAUT
Das Merkmal einer Smart City ist das Management
der Infrastrukturnutzung durch das Sammeln und
Verarbeiten von Daten, die immer umfangreicher im
öffentlichen Raum erhoben werden. Dafür stehen
mittlerweile dank der sprunghaften Technologie-
entwicklung relativ kostengünstige, leistungsfähige
und kleine Sensoren und Prozessoren zur Verfügung.
Sensoren werden sich in Zukunft in allen Bereichen
des städtischen Gebildes finden. Städte bekommen
eine ‹digitale Haut›6, die aus einer permanent von
Sensoren abgetasteten und gemessenen städtischen
Umwelt besteht.
Verbunden mit dem rapiden Ausbau der Kapa zi
täten,
sowie der Übertragungs- und Reaktionsgeschwin-
digkeiten von netzgebundenen und draht losen
Kommunikationskanälen, Massendatenspeichern
und Zentral rechnern, ermöglicht diese ‹digitale
Haut› eine weitgehend automatisierte Steuerung
einzelner Prozesse und Verfahrensab läufe. Mit der
Kopplung von Sensoren unterschiedlicher Infra-
struktursysteme (Verkehr, Energie, Wasser- und Ab-
fallwirtschaft, Beleuchtung) können sowohl deren
Nutzungsbedarf integriert gesteuert als auch eine Standort- und Nutzungsüberwachung organisiert
werden. In London wird zum Beispiel eine Soft-
ware eingesetzt, die Messdaten zu Kohlenmonoxid-,
Kohlendioxid- und Stickoxidemissionen von rund
150 Stationen, prognostizierte Wetterdaten (Luft-
feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und Temperatur)
sowie verschiedene Verkehrscharakteristika be-
stimmter Tage und Uhrzeiten verarbeitet. Zur Ver-
knüpfung dieser Daten hat Siemens eine intelligen-
te Software auf Basis neuronaler Netze entwickelt,
die den Luftverschmutzungsgrad in Großstädten
prognostiziert und automatisch Maßnahmen startet,
um ein Überschreiten der Grenzwerte zu vermeiden.
Aber es bleibt Aufgabe von Politiker*innen, gegebenen-
falls Fahrverbote zu verordnen und durchzusetzen
oder eine Minderung von Industrieemissionen zu er-
zwingen.
SMART CITIES SIND VOR ALLEM
AUTOGERECHTE STÄDTE
Sensoren werden insbesondere für eine optimierte
Verkehrsmittelnutzung und -lenkung und autono-
mes Fahren unter dem Stichwort ‹Smart Mobility
und Smart Transport› eingesetzt. Europäischer Vor-
reiter einer sensorkontrollierten öffentlichen Infra-
struktur ist die nordspanische Stadt Santander, die
schon seit 2011 über 12.000 Sensoren beispielsweise
zur Nutzung innerstädtischer Parkplätze installiert
hat. Santander hat bisher über acht Millionen Euro
Forschungsfördermittel der EU erhalten, um ein
‹Internet der Dinge› für ein optimiertes Manage-
ment städtischer Infrastruktur aufzubauen und zu
erproben. Der Bürgermeister von Santander betont
immer wieder die hohe Akzeptanz der digital ver-
netzten Überwachung und Steuerung städtischer
Infrastrukturen bei der Bevölkerung. Es zeigt sich
in vielen Städten, dass IT-Systeme als besonders
positiv bewertet werden, wenn sie dazu beitragen,
Verkehrsstaus zu reduzieren und den Zugang zu
Parkplätzen zu erhöhen.7
Dies tun beispielsweise digitale Apps, die mithilfe
von Sensoren freie Parkplätze anzeigen. Einerseits
kann dies den Parkplatzsuchverkehr reduzieren, an-
dererseits mehr Menschen dazu verleiten, ein Auto
zu benutzen. Die sogenannte ‹Smart Mobility› führt
nicht unbedingt zu absolut weniger Autos in der
Stadt, sondern zu einer noch effektiveren Nutzung
des öffentlichen Raums für die motorisierte Mobili-
tät, die zu einer relativen Zunahme der Anzahl von
PKWs führen kann.
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Städte bekommen
eine digitale Haut,
die aus einer
permanent von Sensoren
abgetasteten und
gemessenen städtischen
Umwelt besteht.
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Titel
- WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
- Untertitel
- Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Autor
- Anja Höfner
- Herausgeber
- Vivian Frick
- Verlag
- oekom verlag
- Ort
- München
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-96238-149-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 152
- Schlagwörter
- Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
- Kategorien
- Informatik
- Technik