Seite - 60 - in WAS BITS UND BÄUME VERBINDET - Digitalisierung nachhaltig gestalten
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DIE AUTOREN
/// Dr. Vlad C. Coroama ist Dozent am Institut für Pervasive Computing im Departement Informatik an der ETH Zürich. Seine Themen-
schwerpunkte sind ICT und Nachhaltigkeit, Smart Energy, Ubiquitous Computing und IoT.
/// Prof. Friedemann Mattern ist Professor am Institut für Pervasive Computing im Departement Informatik der ETH Zürich. Seine Themen-
schwerpunkte sind Verteilte Systeme, Verteilte Algorithmen, Smart Energy, Ubiquitous Computing und IoT. http://vs.inf.ethz.ch/
LITERATUR
/// 1 Malmodin, J., & Coroama V. Assessing ICT’s Enabling Effect through Case Study Extrapolation – the Example of Smart Metering.
Electronics Goes Green Conference (2016).
/// 2 Allcott, H. Social Norms and Energy Conservation. Journal of Public Economics 95, 1082–1095 (2011).
/// 3 Tiefenbeck, V., et al. Overcoming Salience Bias: How Real-Time Feedback Fosters Resource Conservation. Management Science 64,
1458–1476 (2016).
/// 4 Kleiminger, W., Mattern, F., & Santini S. Predicting Household Occupancy for Smart Heating Control: A Comparative Performance Analysis
of State-of-the-Art Approaches. Energy and Buildings 85, 493-505 (2014).
/// 5 Bionda, D., & Domingo-Irigoyen S. Energy Saving Potential of Occupancy-based Heating Control in Residential Buildings.
Energy Procedia 122, 27–31 (2017).
/// 6 Becker, V., et al. Estimating the Savings Potential of Occupancy-based Heating Strategies. Energy Informatics 1, 35–54 (2018).
nicht nur bei der Anwesenheitserkennung von Per-
sonen bleibt, sondern deren Rückkehr vorausgesagt
werden und daher die Wohnung rechtzeitig vorge-
wärmt werden kann, sodass die Komfort temperatur
praktisch punktgenau erreicht wird.4 Zudem sollten
sich smarte Heizsysteme in Mehrfamilienhäusern
untereinander koordinieren, da sonst die Einsparung
bei einer Wohnung vor allem auf Kosten der Nach-
barwohnungen erfolgt, die durch den Wärme transfer
über die Wände für andere mit heizen.5 Derartige
vorausschauende – und, wenn nötig, koope rierende –
smarte Heizungen können ohne Komfortverlust
eine Ersparnis von etwa neun Prozent erzielen.6
Allerdings braucht es dafür dann den Datenaus-
tausch – zwischen benachbarten Heizsystemen und
idealerweise zu den Handys der Abwesenden (um
deren wahrscheinliche Rückkehr zur Wohnung früh-
zeitig zu erkennen) oder evtl. auch zum Heizungs-
dienstleister, der dann mit den statistischen und
individuellen Daten das Prognose modell optimieren
kann. Informationsautarke Systeme sind denkbar,
aber nicht so komfortabel und effizient – und daher
weniger nützlich und rentabel.
Heiz- und Warmwasserenergie dominieren den Ener-
gieverbrauch von Haushalten viel mehr, als man
gemeinhin annehmen würde: Laut Statistischem
Bundesamt machen sie zusammen 85 Prozent des
durchschnittlichen Energieverbrauchs eines Haus-
halts in Deutschland aus. Herd und Backofen, Kühl-
schrank, Wasch- und Spülmaschine, Lampen und
alle anderen Geräte inklusive Fernseher und Inter-
netzugang kommen zusammen auf lediglich etwa
15 Prozent. Hohe einstellige oder gar zweistellige Ein- sparungen beim Heizen oder Warmwasserverbrauch
wären also eine wirklich effektive Maßnahme – hin-
gegen zielen bislang die meisten öffentlich geförder-
ten Energiesparmaßnahmen (etwa die Förderung von
Energiesparlampen bei gleichzeitigem Verbot klassi-
scher Glühbirnen oder die Pflicht zur Kennzeichnung
der Energieeffizienz von Haushaltsgeräten) auf die
verbleibenden 15 Prozent.
Was also, wenn ein ‹Eingriff› in die Privats phäre
nachweislich zu Energie- und CO2- Einsparungen
in diesen wichtigen Bereichen führt? Wie ist dieser
Zielkonflikt zu lösen? Auch wegen des immer
größeren Datenhungers von Unternehmen, der ver-
ständlicherweise Bedenken und Skepsis hervorruft,
ist die deutsche und europäische Antwort oft: Der
Schutz der Privatsphäre ist das höchste Gut und darf
in keiner Weise infrage gestellt werden.
Können wir uns jedoch noch dieselbe katego-
rische Haltung leisten, wenn die Umwelt selbst
unsere Daten braucht? Auch wenn dieser Bedarf ja
nicht direkt gestillt werden kann, sondern indirekt
über Unter nehmen? Sind die klassischen Taxie-
rungen vielleicht zu einfach und zu bequem? Ist es
nicht vielleicht übertrieben ego- und anthropozen-
trisch, ein persönliches Gut stets höher zu bewer-
ten als die Bedürfnisse unseres Planeten? Und dem
Schutz unserer Privatsphäre heute also Priorität
gegenüber der Umwelt oder den (eventuell deutlich
grundlegenderen) Bedürfnissen künftiger Genera-
tionen einzuräumen? Die Antworten seien jedem
selbst überlassen – und hoffent lich einer weiteren
Diskussion bei der nächsten ‹Bits & Bäume›. }
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Titel
- WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
- Untertitel
- Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Autor
- Anja Höfner
- Herausgeber
- Vivian Frick
- Verlag
- oekom verlag
- Ort
- München
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-96238-149-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 152
- Schlagwörter
- Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
- Kategorien
- Informatik
- Technik