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DIE AUTOR*INNEN
/// Andrea Vetter ist Wissenschaftlerin, Aktivistin und Journalistin für eine Wirtschaft nach den Bedürfnissen und Fähigkeiten aller. Sie arbeitet
für das Konzeptwerk Neue Ökonomie e.
V. und die Zeitschrift Oya: enkeltauglich leben.
/// Dr. Nicolas Guenot ist promovierter Informatiker, der die Wissenschaft hinter sich gelassen hat, um sich auf zivilgesellschaftlicher Seite für
einen emanzipatorischen Umgang mit digitalen Technologien einzusetzen. Er arbeitet beim Konzeptwerk Neue Ökonomie zu Digitalisierung
und ist in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv.
LITERATURE
/// 1 Kerschner, C., et al. Special issue: Technology and Degrowth. Journal of Cleaner Production 197, 1619–1886 (2018).
/// 2 Brand, U., & Wissen, M. Imperiale Lebensweise: Zur Ausbeutung von Mensch und Natur in Zeiten des globalen Kapitalismus (oekom, 2017).
/// 3 Illich, I. Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik (Rowohlt, 1975).
/// 4 Vetter, A. The Matrix of Convivial Technology – Assessing Technologies for Degrowth. Journal of Cleaner Production 197, 1778–86 (2018).
/// 5 Ebd.
/// 6 Free Software Foundation. Freie Software – Was ist das? https://gnu.org/philosophy/free-sw.html (2018).
/// 7 Schmelzer, M., & Vetter A. Degrowth / Postwachstum zur Einführung (Junius, 2019).
Rolle. Software sollte offene Standards implemen-
tieren, die von der Gemeinschaft der Entwickelnden
und Nutzenden definiert werden. Sie sollte dezentral
eingesetzt werden, sodass sie von ihren Benutzenden
gesteuert werden kann.
Die Dimensionen Verbundenheit und Bio-Inter-
aktion können insbesondere in Bezug auf Hardware
Gedankenanstöße liefern. Statt Hightech sind dabei
zum einen Lowtech, aber
auch etwas, was man ‹Old-
Tech› nennen könnte, ent-
scheidende Stichworte. Die
Wiederverwendbarkeit von
alter Hardware wird mit of-
fenen Systemen erheblich
verbessert, die Nutzungs-
dauer verlängert. Alte Geräte
in Kombination mit offener,
zum Beispiel Linux-basier-
ter Software zu nutzen ist
dabei ein relativ einfaches
Einstiegsprojekt für alle, die am gesellschaft lichen
Wandel arbeiten. Das hebt die Bedeutung von Long-
Term-Support für Software hervor, die an die reale
Hardwarelebens erwartung angepasst ist, die nicht
nur zwei Jahre beträgt.
Schließlich stellt sich die Frage der Angemessen-
heit: Welche Vorgänge und Prozesse sollten
sinnvoller weise digitalisiert werden und welche
nicht? Digitali sierung von Arbeitsprozessen be-
deutet häufig Effizienzsteige
rung, die jedoch nicht
selten mit höhe rem Stress und Entfremdung in der
Arbeit einhergeht. Besonders fragwürdig ist die Digi-
talisierung der Frei
zeit, da hier Effizienz eigentlich
keine Rolle spielen sollte. Eine Frage der Angemes-
senheit, gerade wenn ‹Old-Tech› verwendet wird, ist die Frage, ob es statt neuer Features nicht angemes-
sener wäre, die Sicherheit einer verwendeten Soft-
ware zu erhöhen. Wenn bei jedem Problem kontext-
abhängig nach der Sinnhaftigkeit von technischem
Einsatz gefragt wird, sollte die Regel dabei erst No-
Tech, dann Old-Tech oder Lowtech heißen, statt so-
fort mit Rohstoff- und energieintensiven digitalen
Hightechlösungen Probleme scheinbar zu lösen und
dabei an anderer Stelle neue zu schaffen.
Wie kann der Weg hin zu einer solchen Zukunft
des maßvollen Digitaleinsatzes aussehen? Für den
Wandel hin zu einer Postwachstumsgesellschaft
kann von drei sich ergänzenden Transformations-
strategien gesprochen werden: 1. Freiräume aus-
bauen, 2. revolu tionäre Reformen, 3. Widerstand
gegen zerstörerische Wirtschaftsaktivitäten.7 Frei-
räume könnte dabei in Bezug auf digitale Technik be-
deuten, dass Repair cafés mit Hackerspaces fusionie-
ren und in jedem Dorf und Stadtteil zur Normalität
gehören. Revolutionäre Reformen wären, öffentli-
ches Geld (wie in der Wissenschaft, in Verwaltungen
und kommunalen Betrieben) nur für Freie Software
und für Menschenrechte und Öko standards beach-
tende Hardware auszugeben – also in der Regel für
gebrauchte Geräte. Widerstand bedeutet schließlich,
Kämpfe gegen Extraktivismus vor allem im Globalen
Süden zu unterstützen. Im Globalen Norden heißt es
vor allem, aktiv zu werden gegen kommerzielle Platt-
formen und Datenkontrolle.
Die Technik für eine Postwachstumsgesellschaft
kann einiges von den Anfängen des Internets und
von den PCs in den 1990er-Jahren lernen. Freiheit
und Konvivialität sind auch technisch möglich, zum
Beispiel durch kollaborative Softwareentwicklung
und eine nachhaltige Nutzung von existierender und
wiederverwerteter Hardware.
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Schließlich stellt
sich die Frage
der Angemessenheit:
Welche Vorgänge
und Prozesse
sollten sinnvoller -
weise digitalisiert
werden und welche
nicht?
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Titel
- WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
- Untertitel
- Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Autor
- Anja Höfner
- Herausgeber
- Vivian Frick
- Verlag
- oekom verlag
- Ort
- München
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-96238-149-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 152
- Schlagwörter
- Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
- Kategorien
- Informatik
- Technik