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Bühne und Kostüme
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31 ihren eigenen Gedanken, versuchen sich dem Text anzunähern, ihn sogar zu durchdringen. ihnen wird ihre rolle im Stück von der regie oder der Dramaturgie zugewiesen, sie können sie sich sehr selten aussuchen. Die Aufgabe ist dann, so glaubhaft und nachvollziehbar zu sein, dass man die oder den Schauspieler*in hinter der rolle vergisst. um das alles zu tun, erlernen sie ein handwerk, das ihnen dabei hilft, all diese Aufgaben zu erfüllen und dabei noch geistig gesund zu bleiben. oft werde ich gefragt, wenn ich mehrere rollen in ver- schiedenen Stücken spiele, ob ich diese dann nicht durcheinan- derbringe oder verrückt werde. Die Antwort ist immer die gleiche: nein, denn es ist ein handwerk. es ist nichts romantisches an diesem beruf. er besteht zu 90 % aus Fleiß und Disziplin und zu 10 % aus Talent. ein Theatertag besteht aus zwei Teilen. Der morgenprobe von 10 bis 14 uhr und der Abendprobe von 19 uhr bis 22 uhr oder der vorstellung. Dazwischen wird der Text gelernt oder recherchiert, und das im extremfall sechs Tage die woche. was uns unterscheidet uns von nicht-Schauspieler*innen? ei- gentlich nichts. zwei Arme, zwei beine und ein Kopf. und wir müssen wie jeder andere mensch essen und trinken, wir leben nicht vom Applaus des Publikums, das füllt den Kühlschrank leider nicht auf. es gibt einen kleinen unterschied: in der wahr- nehmung des „Angeschaut werdens“. es ist nichts natürliches daran, sich vor eine große menschenmenge zu stellen und worte zu sagen, die nicht die eigenen sind und vor allem „sich die brust aufzureißen, sich in die Seele schauen zu lassen und dabei noch Spaß zu empfinden“, wie mein Schauspielprofessor immer sagte. ich glaube, das ist der wesentliche unterschied. Wo liegen die Stärken und Defizite dieser Institution? Das Theater als Spiegel der Gesellschaft, aber was genau spie- gelt es wider? meiner Ansicht nach repräsentiert die institution Theater in seiner Struktur und organisierten hierarchie unsere Gesellschaft besser, als das, was auf der bühne zu sehen ist. über Jahrhunderte gewachsene hierarchien, die heute vielleicht nicht mehr zeitgemäß erscheinen mögen, aber im Theateralltag durchaus ihre berechtigung haben, würde ich als Stärke und Schwäche gleichzeitig ausmachen wollen. vom beleuchter über die requisite bis hin zur intendanz. Alles hochspezialisierte Auf- gabenfelder, welche jahrelanger Ausbildungen bedürfen. man stelle sich vor, wie lange entscheidungsprozesse in einem demo- kratisch geführten Theater dauern würden, bis sich alle einig sind und eine Entscheidung getroffen werden kann. es wurden in den letzten Jahrzehnten viele modelle im Stadtthea- ter ausprobiert, von autokratischen intendant*innen, die alle ent- scheidungen selbst treffen möchten, dem partizipativen Ensem- ble, das bei allen entscheidungen mitreden will, intendant*innen, die viel delegieren, regieführenden intendant*innen hin zu Kura- tor*innen. Zuletzt kommen immer öfter Leitungskollektive mit fla- chen hierarchien und diskursiven entscheidungsprozessen vor. Die entwicklung des Theaters ist nicht zu ende, es ist wie ein gro- ßes Labor für menschliches miteinander und gelebte Demokratie. Debatten über die derzeitige gesellschaftliche Situation finden in vielen Proben statt und die ergebnisse derselben werden dann in den Produktionen sichtbar. man kann sich also Demokratie direkt anschauen, aber auch mitgestalten. eine möglichkeit der mitge- staltung ist derzeit die bürgerbühne, bei der sogenannte „exper- ten des Alltags” unter professionellen bedingungen Stücke entwi- ckeln und mit ihrer expertise das Theater bereichern. Ganz egal wohin sich das Theater in zukunft entwickeln wird, ei- ner muss am ende verantwortung übernehmen und an der Pre- miere muss „der Lappen hochgehen!“ mathias Lodd ensemblemitglied im Schauspielhaus GrazAbb.13
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Bühne und Kostüme
Titel
Bühne und Kostüme
Herausgeber
Petra Simon
Elemer Ploder
Martina Thaller
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-85125-763-2
Abmessungen
24.0 x 24.0 cm
Seiten
124
Kategorie
Kunst und Kultur
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