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Digitalisierte Beratung zur effizienteren Selbstoptimierung 109
nisationen selten die dafür notwendigen Kriterien, wenn aus dem Coach kein
trivialer Therapeut (vgl. Bude, 1988) werden soll.
Durch die Digitalisierung von Beratung kann die Beratungsklientin Beratung
in kleinste Alltagslücken stopfen, um auch diese bisher ungenutzten Zeiten
noch vermeintlich sinnvoll auszufüllen und so den Tagesverlauf zu verdichten,
während die Klientin selbst dies als Freiheit empfindet. Dass sich (kritisch-
reflexive) Beratung kaum beschleunigen lässt, hat Austermann (2011, 2017)
gezeigt: »Schneller zuhören geht nicht.« Die Beschleunigung und Verdichtung
verhindert häufig die notwendige Priorisierung persönlicher Reflexions- und
Entwicklungsaufgaben zugunsten von Alltagsaufgaben, weil das Operative in
seiner Dringlichkeit immer wieder das Reflexive zurückdrängt. Auch dies trägt
zur Entfremdung bei (Rosa, 2013).
Die für gute arbeitsbezogene Beratung notwendige kritische Reflexion (Grö-
ning, 2016) braucht Zeit, Ruhe, Abstand und Muße, damit eine Resonanz-
beziehung entstehen kann (Rosa, 2013).
Als Frage wird deutlich: Versteht sich Beratung im Sinne einer wirksam wer-
denden, messbare Ergebnisse hervorrufenden Steuerung oder als freier Denk- und
Resonanzraum der Persönlichkeitsbildung und -reifung?
Umgang mit Raum und Leib: Körperlosigkeit, Berührungs-
losigkeit, Abstraktion, Enhancement
Computervermittelte Kommunikation ermöglicht es, körperliche Barrieren
relativ mühelos zu überspringen, weil sie den Körper erweitert. Unter dem
Begriff »Enhancement« werden Geräte des Ubiquitous Computing als Körper-
erweiterungen und -verlängerungen diskutiert (Liessmann, 2016; Crawford,
2016): Sie befreien uns (scheinbar) aus der Unzulänglichkeit, nicht an meh-
reren Orten zugleich sein zu können, und damit aus einer Endlichkeit, aber
auch aus Unzulänglichkeiten wie Ekel und Scham: Denn Glasoberflächen, auf
denen dank Lotuseffekt kein Fingerabdruck zurückbleibt, standardisierte Typen,
die entgegen einer Handschrift stimmungsunbeeinflusst abgebildet werden,
oder die (gegenwärtig noch) Nicht-Übertragbarkeit von Körpergerüchen und
-geschmäckern oder salzigen Tränen lassen computervermittelte Kommunika-
tion aseptisch rein und perfekt erscheinen. Auch diese ausschnittsweise Wahr-
nehmung des Gegenübers ist digital im Sinne einer stufenweisen, kleinteiligen
Auflösung. Sicherlich kann diese Kanalreduktion es erleichtern, sich auf das
vorgetragene Beratungsanliegen zu konzentrieren und sich nicht ablenken zu
lassen (Wenzel, 2015). Gleichzeitig stellt sich die Frage, welche Bedingungen
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
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Coaching im digitalen Wandel
- Titel
- Coaching im digitalen Wandel
- Herausgeber
- Robert Wegener
- Silvano Ackermann
- Jeremias Amstutz
- Silvia Deplazes
- Hansjörg Künzli
- Annamarie Ryter
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-40742-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 166
- Kategorie
- Technik