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5. DieReaktionenaufdiePandemie 105
Dies änderte sich erst, als die Zahlen sich inRichtung des exponentiel-
lenWachstums bewegten und als die Defizite in der eigenen Vorbereitung
deutlichwurden.DiePandemieplänewarenzwarausgearbeitet, jedochwur-
dennichteinmaldienotwendigenMaßnahmenfüreineInfluenza-Pandemie
umgesetzt, beispielsweise die Beschaffung einer ausreichendenAnzahl von
Gesichtsmasken.AufdieFrage,warumdiesnicht erfolgt sei, antworteteder
Gesundheitsminister des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen in
einemZeitungsinterview: »Weil es in jüngerer Vergangenheit keine Pande-
mie gegeben hat. Das hat kaum einer richtig ernst genommen. Dasmuss
man einfach nüchtern so sagen.« Und an anderer Stelle gibt derMinister
in dem Interview unumwunden zu, »…wie unsicherwir unswaren.« [342:
4] Die Unsicherheit bestand offenbar nicht nur in Deutschland. Sie wurde
bestätigt durch ein Interview eines britischenWissenschaftlers, der imBe-
ratungsgremiumder englischenRegierungmitwirkteunddenLockdown in
einemZeitungsinterviewals »Panik-Maßnahme«charakterisierte,dererzu-
nächst durchaus zugestimmthatte.Es sei eineNotfallmaßnahmegewesen,
»…weilwirunsnichtsBesseresüberlegenkonnten.« [343]
Minimale VorbereitungundmaximaleÜberraschungdurch denVerlauf
sowieebensomaximaleVerunsicherunghinsichtlichderkaumvorhandenen
Handlungsoptionen, so kann die politische Ausgangslage in vielen Staaten
wenigeWochen in die Pandemie hinein beschrieben werden. Regierungen
undAdministrationen imglobalenNordenmussten erleben,was imSüden
als »Ausbruchskultur« schon länger bekanntwar [38].Wesentlicher Teil der
Ausbruchskultur ist die recht lange Zeit, bis es zu relevantemHandeln ge-
gendieEpidemiekommt.Demgegenüber stehendie Informationenhierfür
schonlängerzurVerfügung,siewerdenallerdingsimpolitischenSystemoft-
mals nicht entsprechendanalysiert und interpretiert.Es gibt »…einenpoli-
tischenDruck, die Krise nicht anzuerkennen bis es unmöglichwird, sie zu
ignorieren.« [38: 180]
Je länger die Untätigkeit andauerte, desto weniger war in denmeisten
LändernauchdieKontaktnachverfolgungausKapazitätsgründeneinewirkli-
cheOption.AusdiesemGrundverlegtensichdieRegierungeninderSchweiz
relativ schnell und inDeutschlandetwas später aufdieVariantedesHerun-
terfahrensdesöffentlichenLebens. ImVergleich zuLockdowns inNachbar-
ländern wie Italien oder Frankreich war es gewissermaßen ein ›Lockdown
light‹, da auf Ausgangssperren und andere drastischeMaßnahmenwie et-
wadieAbsonderungganzerStädteverzichtetwurde.AndiesenMaßnahmen
warman–wie späterdeutlichwurde [344]– inderSchweiznurknappvor-
War der Coronavirus-Lockdown notwendig?
Versuch einer wissenschaftlichen Antwort
- Titel
- War der Coronavirus-Lockdown notwendig?
- Untertitel
- Versuch einer wissenschaftlichen Antwort
- Autor
- Dirk Richter
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefelfd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5545-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 192
- Schlagwörter
- Corona, Pandemie, Covid, Corona, Lockdown
- Kategorien
- Coronavirus
- Medien
- Medizin