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lisch und rechtlich vertretbare Weise nicht ändern lässt.
Die Prämisse, dass die Behandlung des ersten Patienten weiterhin indi-
ziert ist, bedarf jedoch während des Therapieverlaufs einer ständigen Über-
prüfung. Die Konstellation, dass eine Behandlung durch die zunehmende
Verschlechterung des Gesamtzustandes eines Patienten unverhältnismäßig
wird und aus diesem Grund abgebrochen werden darf, kann sich auch im
Rahmen einer intensivmedizinischen Anti-Corona-Unterstützungsbehand-
lung ergeben.2 Wenn es angebracht erscheint, einen Therapieziel-Wechsel
hin zu einer palliativmedizinischen Versorgung ins Auge zu fassen, wird
der Behandlungsplatz frei für einen Nachfolge-Patienten. Diese grundsätz-
lich bei jeder medizinischen Behandlung denkbare Situation ist aber nur
dann gegeben, wenn die Fortführung der Behandlung aus der Sicht des ak-
tuell behandelten Patienten unverhältnismäßig geworden ist. Diese An-
nahme ist aber nicht schon dadurch erfüllt, dass weitere Anwärter auf den
Behandlungsplatz in der Warteschlange nachrücken. Ebenso kann es als le-
gitim angesehen werden, immer ein Notfallbett freizuhalten, um sich Be-
handlungsoptionen in einem Worst-Case-Szenario zu bewahren, in denen
ein junger Patient ohne Vorerkrankungen mit guter Genesungsprognose
zu einem Zeitpunkt kommt, an dem alle Behandlungsplätze belegt sind.
Auf derartige Details geht die Stellungnahme des DER jedoch nicht ein, da
sie nur verlangt, dass eventuell notwendige Triage-Entscheidungen nach
transparenten und einheitlich angewandten Regeln erfolgen sollen.
Die Notwendigkeit einer Öffnungsperspektive
Als dritten Fragenkomplex erörtert die Stellungnahme die Notwendigkeit
einer „Öffnungsperspektive“ (S.6), um die Bereitschaft der Öffentlichkeit,
die verfügten Freiheitsbeschränkungen im Geiste solidarischer Zusammen-
gehörigkeit mitzutragen, über einen längeren Zeitraum hinweg zu erhal-
ten. Damit ist weder eine einfache Rückkehr zum status quo ante, noch die
Zeit danach gemeint, die erst anbricht, wenn die Corona-Krise vollständig
überwunden ist. Vielmehr umfasst der Begriff die Lockerungen und all-
mählichen Aufhebungen der zu Beginn der Krise getroffenen Schutzmaß-
nahmen, die schon bald nach der Überwindung (oder dem Ausbleiben)
der ersten Infektionswelle angezeigt sind. Die allmähliche Renormalisie-
rung des gesellschaftlichen Lebens muss nach Auffassung des DER von
3.
2 Vgl. Heinemann/Proft u.
a., Covid-19. Ethische Empfehlungen, 32.
Eberhard Schockenhoff
32
https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik