Seite - 33 - in Die Corona-Pandemie - Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
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einer intensiven gesellschaftlichen Debatte darüber begleitet werden, wel-
ches Maß an Lebensrisiken die Mehrheit zu tolerieren bereit ist, und wel-
che längerfristigen Einschränkungen sie in welchen Bereichen zur Mini-
mierung dieser Risiken mittragen möchte.
Angesichts der massiven gesellschaftlichen ökonomischen und kulturel-
len Langzeitfolgen, die der Lockdown für den Lebensstand der Gesellschaft
haben wird, ist es nach Ansicht des DER somit schon auf dem Höhepunkt
der Krise erforderlich, eine geordnete Rückkehr zu „normalen“ gesell-
schaftlichen Aktivitäten und zu regulären wirtschaftlichen Unternehmun-
gen ins Auge zu fassen, um die materiellen, kulturellen und psychosozia-
len Schäden möglichst gering zu halten. Besonders hebt der DER die Not-
wendigkeit hervor, die ökonomische Basis der Gesellschaft zu erhalten.
Dabei geht es nicht nur darum, die Interessen des „Kapitals“ zu berück-
sichtigen, wie im öffentlichen Diskurs häufig mit herabsetzendem Unter-
ton vermerkt wird. Denn um die Bewältigung der durch die Corona-Krise
entstandenen Lage dauerhaft absichern zu können, muss nicht nur die
Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Verwaltungsinstanzen gewähr-
leistet sein – wie gut diese während der Krise funktionierten, konnte die
deutsche Bevölkerung zu ihrem Erstaunen und mit positiver Überra-
schung registrieren. Vielmehr bedarf es auch einer funktionierenden
marktwirtschaftlichen Ordnung, um die erforderlichen Wohlfahrtsgewin-
ne langfristig zu erarbeiten.
Besonders betont der Ethikrat, dass die wirtschaftliche Existenz vor al-
lem von Kleinunternehmern und Selbständigen gefährdet ist, die in be-
stimmten Branchen wie der Hotellerie, dem Gastgewerbe oder dem Kul-
turbereich tätig sind, und das Ausbleiben regelmäßiger Einnahmen nicht
lange überleben können. Aber auch ein Zusammenbruch des marktwirt-
schaftlichen Gesamtsystems ist für den Fall zu befürchten, dass zu viele
Unternehmen der mittelständischen Industrie aufgrund einer geringen Ei-
genkapitaldecke Insolvenz anmelden müssen. Die enge Verflechtung der
industriellen Produktion und die langen Lieferketten erhöhen in Krisen-
zeiten die Risiken für das Gesamtsystem, da Ausfälle an einer Stelle ent-
sprechende Wirkungen in nahezu allen anderen Bereichen nach sich zie-
hen. Zudem erinnert die Stellungnahme an das Schicksal vieler Menschen,
die aufgrund der Krise ihren Arbeitsplatz verlieren oder – besonders auch
in prekären Lebensverhältnissen – dauerhaft auf Kurzarbeit umstellen
müssen.
Die Dimension der genannten Schäden in den unterschiedlichen Le-
bensbereichen zwingt nach Ansicht des DER dazu, die Erforderlichkeit
und Angemessenheit der ergriffenen Maßnahmen ständig zu überprüfen.
Wenn das Ziel des Lockdowns, eine mögliche Überlastung des Gesundheits-
Die Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrats zur Corona-Pandemie
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik