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belegt sind, während weitere Patienten diese Ressource benötigen. Die Op-
tionen zur Entschärfung dieses Dilemmas beziehen sich auf die Frage nach
einem Behandlungsverzicht oder einer Behandlungsrücknahme bei Erfül-
lung eines der drei folgenden Kriterien: a) eine Stabilisierung ist auch oh-
ne Intensivtherapie möglich, b) der bekannte Patientenwille schließt eine
Intensivtherapie aus, c) eine Intensivtherapie ist aufgrund der fehlenden
Prognose nicht (oder nicht mehr) indiziert.
Falls es nicht gelingt, die dilemmatische Situation wie beschrieben zu ent-
schärfen, wird eine Triage-Entscheidung erforderlich.
Triage
Einleitend wird in diesem Kapitel des Statements der Bioethikkommission
das ethische Dilemma einer Triage-Situation dargestellt. Es liegt im Wesen
einer Triage-Entscheidung, dass Patienten unter den Bedingungen eines
extremen Ressourcenmangels eine bestimmte Behandlung nicht erhalten,
auch wenn sie potentiell davon profitieren könnten. Dieser Verzicht auf
eine bestimmte Behandlung oder die Beendigung einer solchen erfolgt
„stets mit dem in Kauf genommenen Risiko, dass die betroffene Person
krankheitsbedingt stirbt“ (Österreichische Bioethikkommission 2020, 11).
Entscheidungen dieser Art stoßen an die Grenzen ethischer und rechtli-
cher Argumentation, auch wenn die Zielsetzung darin besteht, in einer ab-
soluten Ressourcenknappheit so viele Menschen wie möglich zu retten.
Für diese Zielsetzung benötigt es Orientierungspunkte oder anders ausge-
drückt Kriterien für die Triage. Das Statement der Bioethikkommission
verweist dazu auf die Prognose einer betroffenen Person, konkret die kurz-
fristige Überlebenswahrscheinlichkeit. Als gleichwertig wird das Kriterium
einer drohenden „chronisch kritischen Erkrankung“ mit einer irreversi-
blen Abhängigkeit von intensivmedizinischen Maßnahmen gesehen, die
im Falle massiv eingeschränkter Ressourcen von besonderer Bedeutung
wäre. Selbstverständlich muss die Prognoseerstellung so objektiv wie mög-
lich erfolgen, dazu wird auf etablierte Instrumente in der Intensivmedizin
verwiesen. Ausdrücklich werden jedoch die Heranziehung von Kriterien
wie dem kalendarischen Lebensalter oder einer von Dritten beurteilten Le-
bensqualität als nicht legitim eingestuft. Gleiches gilt für den sozialen Sta-
tus oder die persönliche Beziehung zu Entscheidungsträgern.
Mit Verweis auf die moralische Belastung in dieser Entscheidungsfin-
dung wird empfohlen, die „Entscheidungslast auf mehrere Schultern zu
verteilen“ (Österreichische Bioethikkommission 2020, 13) und etwa Unter-
stützung durch eine klinische Ethikberatung oder andere kollegiale Bera-
2.4
Andreas Valentin
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Die Corona-Pandemie - Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise"
Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik