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Bewohner und ihrer Angehörigen sowie des Personals erlassen. Zumeist
hatten diese aber ein generelles Ausgehverbot und Einschränkungen des
Kontakts mit nahestehenden Personen (Angehörigen, gesetzlichen Vertre-
tungspersonen, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) zum Gegen-
stand. Die NEK-CNE setzt sich in ihrer Stellungnahme mit den Auswir-
kungen dieser Einschränkungen auseinander und empfiehlt den Institutio-
nen Maßnahmen, die den Schutz der Rechte ihrer Bewohnerinnen und
Bewohner zu gewährleisten vermögen. Zwar hebt die Kommission hervor,
dass die Kantone zum Veröffentlichungszeitpunkt der Verlautbarung –
dem 8. Mai 2020 – bereits Lockerungen der getroffenen Maßnahmen in
Kraft gesetzt oder sie zumindest beschlossen hatten. So wurde beispielswei-
se mancherorts eine Besuchsregelung eingeführt. Nach Meinung der Kom-
mission behielten die von ihr diskutierten Fragen betreffend die Zweck-
dienlichkeit, die Verhältnismäßigkeit und die Konsequenzen eines
Besuchs- und Ausgehverbots aufgrund der ungewissen weiteren Entwick-
lung des Verlaufs der Corona-Pandemie und der daher nicht auszuschlie-
ßenden Notwendigkeit neuerlicher Verschärfungen ihre Aktualität. Sie be-
zeichnet in ihrer Stellungnahme die Aufhebung des Besuchsverbots als
dringlich und begrüßt explizit die bereits umgesetzten oder vorgesehenen
Schritte der involvierten Behörden und Institutionen hin zur Wahrung der
Rechtsgüter der Betroffenen und zur Respektierung des Prinzips der Ver-
hältnismäßigkeit.
Nach Ansicht der Kommission wurden die Regeln zum Schutz der Ge-
sundheit aller Beteiligten in den Institutionen der Langzeitpflege im Zuge
der Pandemie so sehr verschärft, dass den Bewohnerinnen und Bewohnern
vielfach „in Bezug auf massgebliche persönliche Entscheidungen die
Selbstbestimmung abgesprochen“13 worden sei. So wirke sich die Verun-
möglichung freier körperlicher Bewegung und das Verbot sozialer Kontak-
te negativ auf das Wohlbefinden und die körperliche sowie geistige Ge-
sundheit der Betroffenen aus. Entsprechend tangierten die Verbote, so die
NEK-CNE, „nicht nur den Anspruch auf die Achtung des Privat- und Fa-
milienlebens, sondern auch das Recht auf ausreichende, allen zugängliche
medizinische Grundversorgung von hoher Qualität“. Nötig sei nicht nur
der Zugang zu urteilsunfähigen Personen für deren Vertretungspersonen,
sondern auch die Möglichkeit für die Bewohnerinnen und Bewohner, mit-
zuentscheiden, wie viel Risiko sie selbst durch die Wahrnehmung sozialer
13 Vgl. für die folgenden Zitate die Medienmitteilung der Kommission vom 8. Mai
2020, in: https://www.nek-cne.admin.ch/inhalte/Medienmitteilungen/de/Medien
mitteilung_NEK_Corona-Pandemie_II_DE_final.pdf.
Nadine Brühwiler, Simone Romagnoli, Jean-Daniel Strub
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Die Corona-Pandemie - Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise"
Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik